Neue Strategien gegen Krebs und Diabetes
(Artikel MaxPlanckForschung)

Interview mit Professor Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie

14. April 2011

Von Diabetes zu Krebs und wieder zurück – Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried kehrt zu seinen Ursprüngen zurück. Hier spricht er über Erfolge, Enttäuschungen und neue Herausforderungen im Kampf gegen die beiden Volkskrankheiten.

Interview und Text: Klaus Wilhelm

Gleichwohl verfolgt Axel Ulrich noch zwei Projekte der „alten Schule“ der Krebsmedikamenten-Entwicklung. Eines betrifft ein Schwester-Molekül von HER2: HER3. HER3 ist in Brust-, Eierstock, Lungen- und Schwarzem Hautkrebs überaktiv und prognostiziert einen raschen Krankheitsverlauf.

Ullrich: Ein Medikament gegen HER3 wäre ein großer Erfolg und würde meinen Ansatz bestätigen. Denn wenn Herceptin, also Anti-HER2, ein erfolgreiches Medikament sein kann, dann muss es auch Anti-HER3 sein. HER2 allein ist nämlich nicht krebserregend, sondern nur zusammen mit HER3. Deswegen ist bei Brustkrebs und anderen Krebsarten auch ein Antikörper gegen HER3 erforderlich. Das ist lange Zeit vollkommen ignoriert worden, weil HER3 eine inaktive Kinase ist. Ich habe aber dennoch die Erforschung des Moleküls mit der Firma U3 Pharma begonnen. Und jetzt hat U3 einen Antikörper gegen HER3 in der klinischen Studienphase.

Und das zweite Projekt der „alten Schule“?

Ullrich: ...heißt mit Namen „Axl“ und zielt auf das ab, was Krebs eigentlich so gefährlich und tödlich macht, nämlich die Besiedlung anderer Organe durch Tochtergeschwulste. Diese Metastasierung muss man unbedingt verlangsamen oder blockieren. Aber gerade über die daran beteiligten Signalwege ist noch relativ wenig bekannt.

Axl ist eine Rezeptor-Tyrosinkinase und an den Signalwegen beteiligt, die das Wanderungsverhalten der Metastasen mit kontrollieren. Es ist in den meisten hoch invasiven Brustkrebs-Zelllinien überaktiv, aber nicht in wenig invasiven Brustkrebszellen. Gestern hatten wir eine sehr erfreuliche Projektbesprechung über Axl mit  unseren japanischen Kooperationspartnern. Ich kann noch keine Details preisgeben, aber Axl und Axl-Inhibitoren haben eine sehr viel größere Bedeutung für bestimmten Krebsarten als man nach der Forschung mit Krebszelllinien wusste.

Übernehmen jetzt Sie oder die Japaner die weitere vorklinische Entwicklung von Axl-Hemmern?

Ullrich: Wir starten sozusagen von allen Seiten einen Generalangriff auf Axl. Die Japaner entwickeln einen Antikörper und ein kleines Molekül, um das Molekül zu blockieren. Wir selbst forschen zusammen mit einer ungarischen Chemie-Firma und dem 2008 in Dortmund etablierten Max-Planck Drug Development Center ebenfalls an einem kleinen Molekül.

Ich betreibe jetzt erstmals rein akademische Medikamenten-Entwicklung, unabhängig von Venture-Kapital, also privatem Beteiligungskapital, und bin damit hochzufrieden. Sollten wir es bis zum Stadium klinischer Versuche schaffen, müssen wir uns erst für die klinische Studienphase mit einem großen Pharmaunternehmen einigen.

Wie kann eine erfolgreiche Krebstherapie in 20 oder 30 Jahren aussehen?

Ullrich: Tja, die Herausforderung ist wirklich extrem. Aber eine individualisierte Krebstherapie wird mittel- bis langfristig aus der Kombination verschiedener  Ansätze bestehen. Medikamente gegen Onkogene, aber auch ganz andere Ziele, von denen ich ja einige beschrieben habe. Apoptose-Auslösung wird wichtig sein, genauso wie die Immuntherapie, da bin ich mir ziemlich sicher. Bei Impfstoffen, die das Immunsystem von Krebs-Patienten anregen, sehen wir gerade Fortschritte. Das Immunsystem ist ja prinzipiell in der Lage, gegen einen Tumor vorzugehen. Und wenn sich Resistenzen gegen die Medikamente der Ersttherapie gebildet haben, wird es Sekundärbehandlungen mit anderen Medikamenten geben müssen.

Wir müssen Wege finden, das Fortschreiten der Krebserkrankung entscheidend zu bremsen, damit der Patient seine normale Lebenserwartung ausschöpfen kann. Krebs muss eine chronische, kontrollierbare Erkrankung werden, die eine normale Lebensqualität erlaubt, ähnlich wie Diabetes oder Aids.

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