Neue Strategien gegen Krebs und Diabetes
(Artikel MaxPlanckForschung)

Interview mit Professor Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie

14. April 2011

Von Diabetes zu Krebs und wieder zurück – Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried kehrt zu seinen Ursprüngen zurück. Hier spricht er über Erfolge, Enttäuschungen und neue Herausforderungen im Kampf gegen die beiden Volkskrankheiten.

Interview und Text: Klaus Wilhelm

Doch Ullrich untertreibt etwas. Längst verfolgt er innovative, für viele andere Krebsforscher noch abseitig anmutende Ansätze. Es gibt auch schon einige Namen dafür. Zum Beispiel FGFR4. Ein Name für ein Gen, das die Bauanleitung für einen Rezeptor codiert, an den der Wachstumsfaktor FGF19 bindet. FFGR4 verzückt selbst noch den erfahrenen Forscher aus Martinsried, der das Projekt zur Erforschung dieses Moleküls und alle anderen Forschungsansätze seiner Abteilung in den vergangenen zehn bis 15 Jahren in seiner dritten Firma nach den beiden Vorgängerfirmen Axxima und Sugen gebündelt hatte, dem Biotechnologie-Unternehmen U3 Pharma. 2008 wurde die U3 für 150 Millionen Euro an den japanischen Pharma-Riesen Daiichi Sankkyo verkauft.

Ullrich: Fantastische Story. FGFR4 ist eben kein Onkogen, das im Tumor durch genetische Veränderung entstanden ist. Es ist vielmehr eine Art Onkogen-Assistent, den wir in unserem Genom mit uns herum schleppen.

Alle Menschen?

Ullrich: Nicht alle. Es ist so: Von diesem Gen, das einen Rezeptor codiert, gibt es zwei Formen: eine normale, die man so auch in Tieren findet. Und eine, die sich entwickelt hat, nachdem die Ur-Menschen aus Afrika ausgewandert sind. Beide Genvarianten unterscheiden sich nur durch den Austausch eines DNA-Bausteins. Dies hat aber zur Folge, dass der entsprechende Rezeptor sich in seiner Struktur entscheidend verändert. Afrikaner tragen diese abnormale Variante kaum, aber 80 Prozent aller Asiaten und 50 Prozent der Europäer und aus Europa stammenden US-Amerikaner.

Die abnormale Form verändert unser Leben normalerweise nicht. Nur wenn ein Individuum mit der abnormalen Variante des Rezeptors an Krebs erkrankt, dann wird der Krebs ungefähr fünfmal so schnell voranschreiten wie beim Menschen mit der normalen Variante. Sie verursacht also keinen Krebs, sondern beschleunigt die Erkrankung.

Wie muss man sich das vorstellen?

Ullrich: Was da molekular passiert, wissen wir noch nicht genau. Ich habe mich schon um die Jahrtausendwende für FGFR4 interessiert, aber dann ruhte das Projekt eine Weile, weil die falschen Leute in  meinem Labor dran gearbeitet haben. So ist Wissenschaft: Ihr Erfolg hängt immer von schlauen, energetischen Köpfen ab.

Dann kann man also noch nicht mit der konkreten Entwicklung eines Medikaments gegen das Molekül rechnen?!

Ullrich: Doch, doch. Nach unseren Erkenntnissen ist es vollkommen klar, dass FGFR4 die fatale Wirkung von Onkogenen in verschiedenen Krebsarten beschleunigt. Wir haben das auch an so genannten Onko-Mäusen nachgewiesen, die nur ein aktiviertes Onkogen hatten und deren Erbgut wir mit der abnormalen Genvariante verändert haben. Dadurch schreitet der Krebs schneller voran.

Das Pharma-Unternehmen Daiichi Sankkyo testet gerade in vorklinischen Versuchen einen Antikörper gegen FGFR4. Außerdem entwickeln wir derzeit kleine Moleküle gegen den Rezeptor. Ich bin gespannt, ob diese hemmenden Substanzen in Krankheitsmodellen den Krebs beeinflussen.

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