Neue Strategien gegen Krebs und Diabetes
(Artikel MaxPlanckForschung)

Interview mit Professor Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie

14. April 2011

Von Diabetes zu Krebs und wieder zurück – Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried kehrt zu seinen Ursprüngen zurück. Hier spricht er über Erfolge, Enttäuschungen und neue Herausforderungen im Kampf gegen die beiden Volkskrankheiten.

Interview und Text: Klaus Wilhelm

Sobald Zellen Unregelmäßigkeiten in ihrem Wachstum und ihrer Vermehrung erkennen, reagieren sie normalerweise mit programmiertem Selbstmord. Doch die Krebszellen legen die Signalwege lahm, die zum Selbstmord führen. Schon länger ist bekannt, dass auch überaktive Kinasen diesen Prozess entscheidend antreiben. Alle Tumorzellen schalten das Apoptose-Programm aus. Die Forscher wollen deshalb die Inaktivierung der Apoptose wieder aufheben.

Zusammen mit ungarischen Kollegen haben die Martinsrieder eine Substanz namens TT232 untersucht, die dem körpereigenen Hormon Somatostatin ähnelt und Anti-Tumor-Eigenschaften hat. Offenbar bindet TT232 an eine Variante der Pyruvat-Kinase - ein Enzym, das entscheidend an der Energiegewinnung aus Zucker beteiligt ist. Doch TT232 kann Apoptose nur auslösen, wenn der Komplex in den Zellkern verfrachtet wird.

Ullrich: TT232 eignet sich aus verschiedenen pharmakologischen Gründen nicht zum Medikament. Deshalb haben wir nach einem kleinen Molekül gesucht, das an die Variante der Pyruvat-Kinase bindet, so dass der Komplex in die Kerne der Krebszellen wandert und dort den programmierten Selbstmord einleitet. Wenn das wirklich zu einer pharmakologisch akzeptablen Form eines Medikaments führen würde,  könnte das ein weithin wirksames Präparat werden.

Dennoch scheint es so, als ob Sie die Kinasen nicht mehr loslassen?

Ullrich: Stimmt schon. Bei einem weiteren Apoptose-Projekt durchsuchen wir gerade systematisch tausende von hemmenden Substanzen, die auf breiter Front die Kinasen blockieren, die in Tumorzellen Apoptose verhindern. Unsere Bibliotheken mit chemischen Substanzen enthalten aber nicht nur Kinase-Hemmer, sondern auch andere, willkürlich ausgewählte Substanzen. Und die wirksamsten, die wir bisher identifiziert haben, sind keine Kinase-Hemmer, sondern sie blockieren andere Enzyme. Die kennen wir bereits, möchte ich aber noch nicht verraten.

In anderen Experimenten haben wir gezeigt, dass auch Wachstumsfaktoren bestimmter Immunzellen den Krebszellen helfen, die Apoptose lahmzulegen. Unsere japanischen Kollegen arbeiten jetzt weiter an einem dieser Faktoren. Hier wird also die Mikro-Umgebung des Tumors angegriffen und nicht die Tumorzellen selbst. Alle drei Apoptose-Projekte sind wunderbare Beispiele für ungewöhnlich Ansätze abseits des Mainstreams.

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