Neue Technologien für die Proteomforschung - EU-Förderung in Millionenhöhe für internationales Proteomics-Forschungsprojekt, das vom Max-Planck-Institut für Biochemie koordiniert wird

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie koordinieren ein internationales Konsortium, das sich im bislang größten EU-Forschungsprojekt auf dem Gebiet der Proteomforschung, dem INTERACTION PROTEOME-Projekt, zusammengeschlossen hat. Im 6. Europäischen Forschungsrahmenprogramm wird das Konsortium über fünf Jahre mit insgesamt 12 Millionen Euro gefördert. Das "Integrierte Projekt" vereint renommierte Wissenschaftler aus elf führenden europäischen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie aus Industrieunternehmen, darunter die größten europäischen Hersteller von Massenspektrometern und Elektronenmikroskopen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, neue Technologien für die Proteomforschung entwickeln. Das Projekt wurde bei einem Treffen zwischen dem Konsortium von "INTERACTION PROTEOME" und Vertretern der Europäischen Kommission Ende Januar in Rom offiziell eröffnet.

Ziel des Forschungskonsortiums ist es, aus verschiedenen standardisierten Routine-Techniken eine neue technologische Plattform zu schaffen, mit der man Protein-Interaktions-Netzwerke untersuchen kann, eine Herausforderung, die insbesondere den Bedürfnissen der biomedizinischen Forschung entspricht. Dazu sollen Methoden entwickelt werden, um Protein-gesteuerte Prozesse in lebenden Zellen schnell analysieren und modellieren und damit die technischen und methodischen Voraussetzungen für die Untersuchung des Verlaufs von Krankheiten sowie möglicher Therapien schaffen zu können. Der Schwerpunkt des Projekts liegt zunächst auf der Entwicklung schneller, hochsensitiver Geräte sowie neuer Methoden für die Proteinanalytik. Wissenschaftler der Universität Odense, Dänemark, des Flanders Interuniversity Institute for Biotechnology, Ghent, Niederlande, sowie des Max-Planck-Instituts für Biochemie, Martinsried, werden dazu gemeinsam mit den industriellen Partnern ThermoElectron GmbH, Bremen, FEI Electron Optics B.V., Eindhoven, Holland, und Jerini AG, Berlin, die dazu notwendige Technologieentwicklung vorantreiben.

Getestet werden sollen die neuen Technologien in speziell für die Gesundheitsforschung ausgewählten Modellsystemen. Hieran beteiligt sind wiederum Experten aus dem Martinsrieder Max-Planck-Institut, sowie vom GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg bei München, und vom Beatson Institute for Cancer Research, Glasgow. Mit dem schnellen Durchsatz von Proben wird auch die Datenmenge massiv ansteigen. Um diese effizient auswerten zu können, ist die Weiterentwicklung von Werkzeugen der Bioinformatik zur Speicherung, Interpretation und Verwertung der Datenmengen ein weiterer Schwerpunkt des INTERACTION PROTEOME-Projekts. Partner im Bereich der Bioinformatik sind die Europäische Protein-Interaktions-Datenbank MINT, Rom, das dänische Center for Biological Sequence Analysis, Lyngby, und das Heidelberger European Molecular Biology Laboratory, EMBL.

Die Koordination des Großprojekts haben mit Prof. Ulrich Hartl, Prof. Wolfgang Baumeister und Prof. Dieter Oesterhelt drei Direktoren des Max-Planck-Instituts für Biochemie übernommen. Sie tragen in unterschiedlichen Bereichen zum Erfolg von "INTERACTION PROTEOME" bei: Ulrich Hartl ist für die wissenschaftliche Koordination des gesamten Projektes verantwortlich. Er leitet am Max-Planck-Institut die Abteilung Zelluläre Biochemie, deren Forschungsschwerpunkt "Chaperone" bilden, also molekulare Maschinen, die für die richtige Faltung von Proteinen in Zellen zuständig sind. Fehlgefaltete Proteine können Aggregate bilden, die Prion-Erkrankungen wie die Rinderseuche BSE hervorrufen. Das Verständnis der Proteinfaltung ist daher für die Gesundheitsforschung äußerst wichtig und wird im Rahmen des EU-Projektes als höchst relevantes Modellsystem im Detail untersucht.

Wolfgang Baumeister leistet mit seiner Abteilung für Molekulare Strukturbiologie bei der Entwicklung der Kryo-Elektronentomographie seit Jahren Pionierarbeit. Gemeinsam mit dem Industriepartner FEI Electron Optics B.V. werden er und seine Mitarbeiter in diesem Projekt anwenderfreundliche Geräte und Software für die Elektronentomographie entwickeln. Damit sollen hoch auflösende, dreidimensionale Bilder intakter Zellen gewonnen werden, die völlig neue Einblicke in Struktur, Organisation und Arbeitsweise von Zellen ermöglichen.

In der von Dieter Oesterhelt geleiteten Abteilung für Membranbiochemie schließlich untersuchen Wissenschaftler vorwiegend Membranproteine urtümlicher Einzeller (Archeae) sowie Signale, die diese Proteine ins Innere ihrer Zellen abgeben. Derartige Signalketten funktionieren in vielen Organismen ähnlich, können allerdings in den einfacher aufgebauten Archeae schneller im Detail aufgeklärt werden als in höheren Lebewesen. Daher bilden Archeae das optimale Modellsystem für den Einstieg in eine computergestützte Modellierung von Signalwegen. Das Team um Oesterhelt wird daher mit neuentwickelten Simulationsprogrammen für komplexe Signaltransduktions-Netzwerke in höheren Zellen zu dem EU-Konsortium beitragen. Derartige Simulationsprogramme können in der Arzneimittelforschung wesentliche Beiträge zur optimierten Entwicklung neuer Pharmaka leisten, da man damit potentielle Auswirkungen eines Wirkstoffes schon vor einem experimentellen Test "in silico" testen kann.

Wesentliche Hilfestellung bei der Koordination des Projekts leistet von Max-Planck-Institut für Biochemie eigens eingerichtete EU-Koordinationsstelle, die von Anne-Katrin Werenskiold geleitet wird. "Es hat sich bewährt, dass sich eine Person ganz auf die Antragstellung konzentriert hat", sagt Hartl. "Die Wissenschaftler konnten sich damit auf die Konzeption ihrer wissenschaftlichen Zusammenarbeit konzentrieren, um die Formalitäten und Verwaltungsfragen kümmerte sich unsere Koordinationsstelle." Die Koordinationsstelle wird in den folgenden fünf Jahren die praktische Durchführung des Projektes koordinieren, die Wissenschaftler dazu zu gemeinsamen Workshops und Seminaren zusammenbringen und weitgehend von allen administrativen Erfordernissen entlasten. Für die Biotech-Region München wird das hochrangige Kooperationsprojekt zukunftsweisende Ergebnisse und Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

Das 6. Forschungsrahmenprogramm

Das 6. Forschungsrahmenprogramm der EU ist eines der größten Forschungsprogramme der Welt. Für eine Laufzeit von fünf Jahren ist es mit einem Gesamtbudget von 17,5 Milliarden Euro ausgestattet. Eines seiner wichtigsten Ziele ist die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Forschungsraums. Im Zentrum steht dabei, hochkarätige Wissenschaftler in ganz Europa für die Lösung aktueller technologischer Fragen in unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft, darunter in der Gesundheitsforschung, den Informations- und Nanotechnologien sowie der Umweltforschung miteinander zu vernetzen. So genannte "Neuen Instrumente", wie die Integrierten Projekte oder die Exzellenz-Netzwerke, ermöglichen erstmals die Bildung großer internationaler Partnerschaften mit einem Projektvolumen von jeweils bis zu 20 Millionen Euro für eine Laufzeit von maximal 5 Jahren.

Die "Integrierten Projekte" stellen die derzeit bevorzugt beantragte Projektform dar. Dabei fördert die EU internationale Partnerschaften aus Forschungsinstitutionen und Unternehmen, die innerhalb der Projektlaufzeit die technologische Entwicklungen von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife führen. Industriebeteiligung und die Schaffung marktreifer Produkte bilden das wesentliche Charakteristikum dieser Projektform. Die ersten Aufrufe zur Antragstellung im 6. Rahmenprogramm der EU wurden im Dezember 2002 veröffentlicht. Knapp 12.000 Antragsteller haben sich in dieser Antragsrunde um ein Gesamtbudget von 5 Milliarden Euro beworben. Nach umfangreichen Auswahlverfahren starteten die ersten der erfolgreichen Projekte kruz nach dem Jahreswechsel 2003/2004. [KW/AT]

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Anne Katrin Werenskiold (Projektmanagerin)

Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried

Tel.: 089 8578-2601

Fax: 089 8578-2203

E-Mail: kwerensk@biochem.mpg.de

Prof. Dr. Franz-Ulrich Hartl

Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried

Tel.: 089 8578-2244

Fax: 089 8578-2211

E-Mail: uhartl@biochem.mpg.de

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