Shaw-Preis für Wolfgang Baumeister

Der Biophysiker wird für seine wegweisende Entwicklung und Anwendung der Kryo-Elektronentomographie (Kryo-ET) geehrt

Wolfgang Baumeister, Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München wird mit dem renommierten Shaw-Preis 2025 für Lebenswissenschaften und Medizin ausgezeichnet. Die Auszeichnung würdigt seine wegweisende Entwicklung und Anwendung der Kryo-Elektronentomographie (Kryo-ET), einer bildgebenden Technik, die die dreidimensionale Visualisierung biologischer Proben ermöglicht. Diese revolutionäre Methode erlaubt es, Proteine, makromolekulare Komplexe und zelluläre Kompartimente in ihrer natürlichen zellulären Umgebung zu betrachten. Der mit jeweils 1.2 Million US Dollar dotierte Shaw-Preis wird am 21. Oktober in Hongkong verliehen.

Menschliche Zellen enthalten Milliarden von Proteinen und anderen biologische Moleküle, die zusammenarbeiten, um Zellen und damit Organismen am Leben zu erhalten. Während Wissenschaftler*innen lange Zeit über detaillierte Listen einzelner zellulärer Komponenten und deren isolierte Strukturen verfügten, fehlte das Verständnis für deren Zusammenspiel in ihrer natürlichen zellulären Umgebung. Wolfgang Baumeisters Entwicklung der Kryo-ET hat diese Lücke geschlossen und ermöglicht erstmals die Beobachtung biologischer Prozesse in ihrer ursprünglichen, dicht gedrängten zellulären Umgebung.

Bei der Kyro-ET werden Zellen blitzartig schockgefroren, sodass keine Eiskristalle entstehen. Die Struktur der Zellen bleibt in einem glasartigen Zustand erhalten. Mit einem Transmissions-Elektronenmikroskop werden zweidimensionale Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen, vergleichbar mit der Computertomografie in der medizinischen Diagnostik. Die Forschenden können am Computer die einzelnen Aufnahmen zu einem dreidimensionalen Modell zusammensetzen und so die zelluläre Struktur auf molekularer Ebene in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar machen. In den letzten Jahrzehnten hat Wolfgang Baumeister und sein Team die Methode durch ein Zusammenspiel vieler weiterer Innovationen verfeinert.

Der Shaw-Preis würdigt nun Wolfgang Baumeisters außergewöhnliche Beiträge im Bereich der Strukturbiologie. „Baumeister hat Methoden entwickelt und angewendet, um die inneren Abläufe von Zellen auf einer beispiellosen, nahezu atomaren Ebene aufzudecken“, heißt es in der Pressemitteilung der Shaw-Stiftung. „Die Leistungsfähigkeit dieser Technologie verändert unser Verständnis normaler Lebensprozesse und deren Störungen im Krankheitsfall.“

Über den Preisträger

Wolfgang Baumeister studierte Biologie, Chemie und Physik an der Universität Münster und Bonn und promovierte 1973 in Biophysik an der Heinrich-Heine-Universität (HHU) Düsseldorf bei Helmut Ruska. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn über Stationen als Forschungsassistent an der HHU (1973–1980) und als Heisenberg-Fellow am Cavendish Laboratory der University of Cambridge (1981–1982) zum Max-Planck-Institut für Biochemie, wo er von 1983 bis 2021 zunächst als Gruppenleiter der Molekularen Strukturbiologie und später als Direktor tätig war. Seit 1987 ist er ausserordentlicher Professor mit Lehrbefugnis an der Fakultät für Chemie der Technischen Universität München. Zudem ist er seit 2000 Honorarprofessor an der Fakultät für Physik der Technischen Universität München. Seit 2023 ist er außerdem Distinguished Adjunct Professor an der Shanghai Tech University in China. Wolfgang Baumeister ist Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der US National Academy of Sciences sowie Fellow der American Academy of Arts and Sciences. Für seine Forschung wurden Wolfgang Baumeister eine vielzahl von Preisen zuerkannt, darunter die Warburg Medaille (1998), der Louis-Jeantet-Preis für Medizin (2003), der Harvey Prize for Science and Technology (2005), der Alexander Hollaender Award in Biophysics (2022) und der Rosenstiel Award in Basic Medical Sciences (2023).

Über den Shaw-Preis:

Der Shaw-Preis wird in diesem Jahr zum 22. Mal vergeben. Er gilt neben dem Japan-Preis als einer der wichtigsten wissenschaftlichen Auszeichnungen in Asien. In der Max-Planck-Gesellschaft haben Simon D. M. White  2017 und Reinhard Genzel 2008 diese hohe Auszeichnung in Astronomie erhalten. Gerd Faltings wurde 2015 in Mathematik, F. Ulrich Hartl 2012 und Patrick Cramer 2023 in den Lebenswissenschaften geehrt.

Glossar:
Kryo-Elektronenmikroskopie: griech. kryos; kalt, Kälte; Biologische Proben (z. B. gereinigte Proteine oder Zellen) werden in flüssigem Ethan schockgefroren, um die Bildung von Wasserkristallen zu verhindern und eine Konservierung  unter naturnahen Bedingungen zu ermöglichen. Die Proben können dann mit Hilfe der Elektronenmikroskopie in hoher Auflösung  visualisiert werden.

Kryo-Elektronentomographie: Diese Bildgebungsmethode ermöglicht die 3D-Bildgebung von kryokonservierten Proben wie z. B. Zellen. Die hohe Auflösung ermöglicht die Bestimmung von Proteinstrukturen in intakten zellulären Umgebungen.

 

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