Muskelbildung – auf die richtigen Verbindungen kommt es an

Max-Planck-Forscher klären wichtigen Mechanismus der Muskelbildung auf

23. Dezember 2014
Der menschliche Körper besitzt verschiedene Arten von Muskeln. Während der Herzmuskel Blut durch die Gefäße pumpt, können wir mit Hilfe der Skelettmuskeln Gewichte stemmen oder einen Marathon laufen. Durch einen speziell angepassten Bauplan sind die einzelnen Muskeln optimal für ihre jeweilige Funktion ausgerüstet. Diese Anpassungen kommen durch verschiedene Varianten der Protein-Bausteine zustande, die die kontraktilen Muskelmaschinen bilden: die Sarkomere. Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried haben nun anhand von Flugmuskeln der Taufliege Drosophila ein wichtiges Prinzip entdeckt, das erklärt, wie die unterschiedlichen Proteinvarianten in den entsprechenden Muskeln produziert werden. Die Ergebnisse könnten in Zukunft helfen, Muskel- oder Herzerkrankungen besser zu verstehen und sind im Fachjournal EMBO Reports nachzulesen.

Jeder Muskel besteht aus Hunderten von kontraktilen Minimaschinen, den sogenannten Sarkomeren. Je nach Art und Eigenschaft des Muskels unterscheiden sich diese Maschinen in ihrem molekularen Aufbau. Diese verschiedenen Varianten der Sarkomere wirken sich auf die Kontraktionsgeschwindigkeit oder die Kraft der Muskeln aus. Die Flugmuskeln der Taufliege Drosophila etwa müssen extrem schnell kontrahieren (200 Mal pro Sekunde), um ihnen das Fliegen zu ermöglichen. Wissenschaftler um Frank Schnorrer haben dieses Fliegenmodell untersucht, um zu klären, wie die unterschiedlichen Kompositionen der Sarkomere zustande kommen.

„Wir konnten zunächst zeigen, dass in der schnellen Flugmuskulatur mehr als 700 Proteine in einer anderen Variante vorlagen als in der langsamen Beinmuskulatur“, berichtet Maria Spletter, die Erstautorin der Studie. „Die verschiedenen Proteinvarianten bilden also Sarkomere mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften.“ Was den Wissenschaftlern besonders auffiel: oft gingen die unterschiedlichen Proteinvarianten auf das gleiche Gen zurück. Die Gene beinhalten die Baupläne für Proteine. Vereinfacht gesagt, wurde also der Bauplan für das spätere Protein unterschiedlich interpretiert. Dies geschah durch einen Mechanismus, den Forscher als „alternatives Splicing“ bezeichnen: Gene bestehen aus mehreren kleinen Einheiten, den Exons, die von der Zelle abgeschrieben, zusammengeklebt und dann in ein Protein übersetzt werden. Alternatives Splicing bezeichnet das unterschiedliche Zusammenkleben von mehreren Exons und führt so zu verschiedenen Proteinvariationen des gleichen Gens. 

Bis zum Zerreißen gespannt
Doch woher weiß der Flugmuskel, welche Varianten der Proteine er nun benötigt? In weiteren Untersuchungen identifizierten die Wissenschaftler ein Protein mit dem Namen „Arrest“, was die richtigen Exons erkennt und aneinanderklebt. „Wenn die Funktion von Arrest gestört ist“, so Spletter, „werden im Flugmuskel die falschen Exon-Kombinationen zusammengeführt und so Proteinvarianten gebildet, die sonst nur in Beinmuskeln vorkommen.“ Die Folgen sind dramatisch: die Fliegen können nicht mehr fliegen und schlimmer noch, ihre Flugmuskeln werden durch eine zu starke Kontraktion sogar in Stücke gerissen.

Und auch für uns Menschen könnten diese Ergebnisse von Bedeutung sein. „Arrest-verwandte Proteine kommen auch in den Muskeln von Säugetieren vor, daher könnte dieser Mechanismus auch beim Menschen eine Rolle spielen“ schlägt Schnorrer die Brücke. Die Entdeckung des neuen Mechanismus‘ wirft also weitere Fragen auf, denen sich die Forscher in Zukunft widmen werden. Sie wollen klären, wie alternatives Splicing bei Sarkomer-Proteinen zu einem gesunden oder kranken Muskel führt. [HS]

Originalpublikation:
M. Spletter, C. Barz, A. Yeroslaviz, C. Schönbauer, I. Ferreira, M. Sarov, D. Gerlach, A. Stark, B. Habermann and F. Schnorrer: The RNA binding protein Arrest (Bruno) regulates alternative splicing to enable myofibril maturation in Drosophila flight muscle. EMBO Reports, December 22, 2014. DOI: 10.15252/embr.201439791

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