Fruchtfliegen - Ein Vorbild für Bodybuilder

10. März 2010

Der menschliche Körper funktioniert durch ein genau reguliertes Zusammenspiel verschiedenster Zelltypen wie Blut-, Nerven- und Muskelzellen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München haben jetzt gemeinsam mit Kollegen vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien alle Gene der Fruchtfliege Drosophila identifiziert, die eine Rolle bei der Entwicklung und Funktion von Muskeln spielen. „Es ist faszinierend, wie das genetische Programm eines Organismus so unterschiedliche Zelltypen aus identischen Vorläuferzellen erzeugen kann“, sagt Frank Schnorrer, Gruppenleiter am MPI für Biochemie. (Nature, 11. März 2010)

Der menschliche Körper besteht aus zehn bis hundert Billionen Zellen – das sind 10.000.000.000.000 bis 100.000.000.000.000 Zellen. Dabei ist nicht jede Zelle gleich: 200 verschiedene Zell- und Gewebetypen machen den menschlichen Körper aus. Während seiner Entwicklung durchläuft jeder dieser Zelltypen ein bestimmtes genetisches Programm, an dessen Ende rote Blutkörperchen Sauerstoff transportieren, Neuronen elektrische Signale weitergeben und Muskeln mechanische Kräfte erzeugen können.

Max-Planck-Wissenschaftler der Forschungsgruppe Muskeldynamik um Frank Schnorrer haben zusammen mit der von Barry Dickson am IMP geleiteten Arbeitsgruppe jetzt erstmalig alle 12.000 Gene der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) systematisch auf ihre Rolle bei der Muskelentwicklung und Muskelfunktion untersucht. Ähnlich wie der Mensch besitzt die Fruchtfliege verschiedene Typen von Muskeln. Muskeln, die zum Beispiel Fliegenlarven langsam kriechen oder die Flügel der erwachsenen Fliege blitzschnell schlagen lassen.

Durch über 25.000 Flugtests haben die Forscher rund 2.000 Gene identifiziert, die eine Funktion in den Muskeln der Fliegen haben. „Ein Teil dieser Gene wird in allen Muskeln gebraucht“, erklärt Frank Schnorrer, „ein anderer Teil nur in den sehr schnellen, sehr kraftvollen Flugmuskeln.“ Dabei gehören die Flugmuskeln der Insekten zu den stärksten Muskeln im Tierreich überhaupt. „Sie können bis zu 100 Watt pro Kilogramm Muskelmasse erzeugen und das über einen langen Zeitraum“, so der Biochemiker, „davon können Bodybuilder oder Tour-de-France-Fahrer nur träumen.“ Diese schaffen dauerhaft etwa 30 Watt pro Kilogramm Muskelmasse.

Viele der gefundenen Gene sind auch im Menschen vorhanden und werden dort wahrscheinlich ebenfalls für eine normale Muskelfunktion benötigt. Eine Veränderung dieser Gene führt häufig zu Muskelerkrankungen. So ist beispielsweise bekannt, dass Mutationen in den Laminin-Genen für eine bestimmte Form von degenerativen Muskelerkrankungen, die Muskeldystrophie, verantwortlich sind. „Das Wissen über solche Zusammenhänge könnte in Zukunft helfen, Muskelerkrankungen früher zu erkennen und individuell zu behandeln“, hofft Frank Schnorrer.

Originalveröffentlichung:

F. Schnorrer, C. Schönbauer, C. C. H. Langer, G. Dietzl, M. Novatchkova, K. Schernhuber, M. Fellner, A. Azaryan, M. Radolf, A. Stark, K. Keleman and B. J. Dickson: Systematic genetic analysis of muscle morphogenesis and function in Drosophila. Nature, March 11, 2010.

Kontakt:

Dr. Frank Schnorrer

Muskeldynamik

Max-Planck-Institut für Biochemie

Am Klopferspitz 18

82152 Martinsried

schnorre[a]biochem.mpg.de

Anja Konschak

Öffentlichkeitsarbeit

Max-Planck-Institut für Biochemie

Am Klopferspitz 18

82152 Martinsried

Tel. ++49/89-8578-2824

konschak[a]biochem.mpg.de

Dr. Heidemarie Hurtl

Öffentlichkeitsarbeit

Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie

Dr. Bohr Gasse 7

A-1030 Wien

Tel. ++43 1 79730 3625

hurtl[a]imp.ac.at

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