Wie ein Gen zu zwei Proteinen führt - Max-Planck-Forscher entdecken einen neuen Mechanismus, der aus einem Gen zwei Proteine entstehen lässt
Kleine Proteine der Ubiquitin-Familie arbeiten wie molekulare Schalter und regulieren viele zelluläre Funktionen. Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried bei München fanden jetzt heraus, dass das Protein Hub1 dieser Protein-Familie einen wichtigen Einfluss auf die Proteinsynthese hat: Es beeinflusst wie Zellen die in den Genen kodierte Information übersetzen. Dank Hub1 kann ein Gen sogar die Informationen für zwei Proteine liefern. So entstehen mehr Proteine, als Gene vorhanden sind. Dieser Mechanismus könnte auch die Proteinproduktion beim Menschen beeinflussen und daher viele Auswirkungen auf gesunde aber auch kranke menschliche Zellen haben. (Nature, 25.5.2011)
Jede Zelle verfügt über eine große Zahl an Proteinen, die maßgeblich die Lebensfunktionen steuern. Dabei übernimmt jedes Protein spezielle Aufgaben, die durch nachträgliche Modifikationen der Proteine jedoch verändert werden können. Besonders faszinierend sind Fälle, in denen Proteine durch das chemische Anknüpfen kleiner Proteine der Ubiquitin-Familie verändert werden. Ubiquitin wurde in den 1970er Jahren entdeckt und ist als Etikett für den Abbau bekannt: Proteine, die mit Ubiquitin verknüpft sind, können durch eine „zelluläre Mühle“ zerkleinert werden.
Wissenschaftler im Labor von Stefan Jentsch am MPIB identifizierten und untersuchten Hub1, ein ungewöhnliches Mitglied der Ubiquitin-Familie. Obwohl Hub1 eine ähnliche Struktur wie Ubiquitin und andere Familienmitglieder aufweist, arbeitet es auf völlig andere Weise. Shravan Kumar Mishra, Postdoktorand am MPIB, fand heraus, dass Hub1 fest, aber nicht chemisch verknüpft an das hoch konservierte Protein Snu66 bindet. Dieses Protein ist Bestandteil einer bestimmten zellulären Maschine (Spleißosom), das Segmente der Boten-RNA (mRNA) herausschneidet und die übrig gebliebenen Teile wieder zusammenklebt. Diesen Prozess nennen Wissenschaftler „Spleißen“. Da mRNA-Moleküle die genetischen Informationen von den Chromosomen zu den zellulären Proteinfabriken (Ribosomen) transportieren, wo sie in Proteine übersetzt werden, kann das Spleißen der mRNA die Proteinzusammensetzung einer Zelle signifikant verändern. Mishra und Kollegen konnten jetzt aufdecken, dass das Binden von Hub1 an Snu66 die Eigenschaften des Spleißosoms entscheidend verändert: Mit Hub1 kann es auch auf mRNAs wirken, die normalerweise nicht zugeschnitten werden. In manchen Fällen können durch Hub1 modifizierte Spleißosome sogar zwei verschiedene mRNAs aus nur einem Gen bilden. Das sogenannte „alternative Spleißen“ liefert die Informationen für zwei verschiedene Proteine aus nur einem Gen.
Der Hub1-vermittelte Mechanismus, den Jentsch und seine Mitarbeiter gefunden haben, könnte der älteste evolvierte Mechanismus sein, durch den mehr Proteine entstehen, als Gene vorhanden sind. Zudem fanden die Forscher heraus, dass er von einzelligen Organismen wie Hefe bis zum Menschen konserviert auftritt. Da der Mechanismus vermutlich auch einen signifikanten Einfluss auf die Produktion von menschlichen Proteinen hat, wird er sowohl für gesunde als auch für kranke menschliche Zellen von großer Relevanz sein.
Originalveröffentlichung:
Mishra et al. (2011) Role of the ubiquitin-like protein Hub1 in splice-site usage and alternative splicing. Nature, 25. Mai 2011.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Jentsch
Molekulare Zellbiologie
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
E-Mail: jentsch[a]biochem.mpg.de
Anja Konschak
Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
Tel. +49 89 8578-2824
E-Mail: konschak[a]biochem.mpg.de