Wie Zellen ihre mRNA verpacken
Wissenschaftler*innen um Elena Conti, Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie, haben die Mechanismen aufgedeckt, mit denen Zellen ihre neu gebildeten mRNAs schützen.
In den Lehrbüchern der Biologie werden mRNAs, die Informationsträger unseres Erbgutes, als lineare Ketten dargestellt, die Wollfäden ähneln. Aktuellere Forschungsergebnisse haben jedoch eine andere Realität ans Licht gebracht. Nachdem die mRNA-Moleküle im Zellkern hergestellt wurden, werden sie zu kompakten mRNA-Protein-Partikeln (mRNP) verpackt. Anstatt einem Wollfaden zu ähneln, werden die mRNAs im Zellkern mit einer Gruppe von Proteinen umwickelt und ähneln dann eher Wollknäueln. Diese Wollknäuel-Struktur schützt die empfindlichen mRNA-Moleküle und erleichtern ihren Transport durch unsere Zellen. Ebenso wie Wolle, die geordnet in ein Wollknäuel aufgewickelt ist, verhindern die Partikel so das Verheddern und Verknoten der langen mRNA.
Während DNA sogar aus Neandertalerknochen, die 40 000 Jahre lang in Höhlen vergraben waren, wiedergewonnen und analysiert werden kann, sind mRNA-Moleküle von Natur aus instabil. Ein einziges zusätzliches Sauerstoffatom in ihren Bausteinen macht diese Moleküle sehr reaktiv und damit auch anfällig für RNasen, die allgegenwärtigen RNA-abbauenden Enzyme, die sogar auf unseren Fingerspitzen vorkommen. Diese Instabilität ist beispielsweise ein Grund dafür, dass mRNA-Impfstoffe bei extrem kalten Temperaturen und unter sterilen Bedingungen transportiert werden müssen, um nicht beschädigt zu werden. Wie aber gelingt es unseren Zellen, ihre eigenen mRNAs zu schützen und sogar zu transportieren?
Die Antwort auf diese Frage findet sich nicht nur in den mRNA-Molekülen selbst, sondern auch in den Verbindungen, die sie mit Proteinen eingehen um mRNA-Protein-Partikel (mRNP) zu bilden. Trotz bedeutender Fortschritte der biochemischen und strukturellen Analysen fast aller anderen großen RNA-Protein-Komplexen, wie beispielsweise Ribosomen, ist die Entschlüsselung der molekularen Architektur von mRNPs noch immer im Rückstand. Um den Aufbau dieser Partikel entschlüsseln zu können, mussten die Forschenden eine gewaltige biochemische Hürde überwinden. Denn neben der empfindlichen Natur der Partikel, sind diese auch bemerkenswert vielfältig, komplex und flexibel in ihren Eigenschaften.
In der aktuellen Forschungsarbeit hat das Team um Elena Conti die Entwicklung der mRNP-Biochemie mit Hilfe modernster Methoden vorangetrieben und so Untersuchungen auf molekularer Ebene der mRNPs in dem Modelorganismus Hefe (Saccharomyces cerevisiae) ermöglicht. Sie fanden heraus, dass es sich bei mRNPs um kompakte Partikel aus Proteinen und mRNA handelt. Darüber hinaus identifizierten sie ein dichtes Netzwerk von Proteinen, das die RNA-RNA-Interaktion innerhalb dieser Partikel fördert. Die Ergebnisse dieser Studie sind ein wichtiger Meilenstein um die Frage zu beantworten, wie Zellen mit der Fragilität ihrer mRNAs umgehen, und könnten angesichts der raschen Entwicklung mRNA-basierter Therapeutika weitreichende medizinische Auswirkungen haben.
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