Proteinfaltung

Proteine sind kettenartige Eiweiß-Riesenmoleküle, die sich zu komplizierten dreidimensionalen Formen falten. Dieser Prozess durchläuft eine Qua­li­tätskontrolle, kann aber dennoch fehlschlagen. Falsch gefaltete Proteine können sich zu Klumpen zusammenlagern, die für die Zelle gefährlich werden. Bei verschiedenen altersbedingten Krankheiten wie etwa der Alzheimerdemenz sammeln sich solche Aggregate an. Neue Therapieansätze zielen darauf ab, die Proteinablagerungen abzubauen oder ihre Entstehung zu verhindern.

18. Oktober 2010

Trotz dieser höchst aufwändigen Qualitätskontrolle entstehen immer wieder auch falsch gefaltete Proteine – in der Regel aus einem von zwei Gründen: Entweder bildet sich bereits von vornherein eine fehlerhafte Aminosäurekette, oder ein normales Protein verliert später wieder seine korrekte Gestalt. Beispiele für die erste Möglichkeit sind Mutationen in dem Gen für den Tumor­suppressor p53, der beschädigte DNA-Abschnitte repariert. Sie führen zu falsch gefaltetem, funktionsunfähigem p53-Protein, wodurch möglicherweise Krebs entsteht. Auch der Mukoviszidose liegt ein fehlerhaft gefaltetes Eiweiß zu Grunde, das sich durch eine kritische Mutation bildet.

Falsch geformte Proteine können nicht nur ihre biologischen Aufgaben nicht mehr erfüllen, sondern klumpen oft auch zu unlöslichen Aggregaten zusammen, die sich in der Zelle oder ihrer unmittelbaren Umgebung ansammeln. Derartige Abfallprodukte dürften das reibungslose Funk­tionieren der Zelle beeinträchtigen und diese schädigen – unter Umständen mit dramatischen Folgen. Nach neuen Erkenntnissen spielt das vermutlich so verursachte Absterben von Nervenzellen eine entscheidende Rolle bei vielen altersabhängigen Krankheiten des Nervensystems, etwa bei Chorea Huntington (»erblichem Veitstanz«) und der Alzheimerdemenz4,5.

FLUCH DES ALTERNS

Warum treten solche Erkrankungen vor allem bei älteren Menschen auf? Laut einer Untersuchung von 2007 scheint die Qualitätskontrolle mit höherem Lebensalter häufiger zu versagen. Dadurch sammeln sich allmählich immer mehr falsch gefaltete, potenziell schädigende Proteine an6. Die Gehirne von Patienten mit Alzheimerdemenz etwa sind übersät mit charakteristischen Plaques – Aggregaten aus so genannten Beta-Amyloid-Peptiden –, die sich um Nervenzellen herum anhäufen. Auch wenn noch nicht geklärt ist, ob die Plaques Ursache oder Folge der Krankheit sind – sie dürften für das massenhafte Absterben der Neurone sowie den Verlust des Gedächtnisses der Patienten zumindest mitverantwortlich sein.

Die Erkenntnis, dass falsche Proteinfaltung anscheinend gleich mehreren altersbedingten Krankheiten zu Grunde liegt, bietet die Chance auf einen einheitlichen Therapieansatz für all diese Störungen. In Zellkulturen konnten Forscher bereits die Produktion molekularer Chaperone ankurbeln, indem sie bestimmte Wirkstoffe hinzugaben. So verhinderten sie, dass sich in den Zellen unlösliche Huntingtin-Aggregate bildeten – jene Proteinklumpen, die Chorea Huntington auslösen7.

Zwar verstehen wir die grundlegenden Vorgänge bei der Proteinfaltung schon recht gut, doch gibt es noch viele wichtige Details zu erforschen und zentrale Fragen zu klären: Wie funktioniert das Qualitätskontrollsystem im Detail und warum beginnt es im Alter zu versagen? Weshalb sind fehlgefaltete Proteine für die Zelle überhaupt so schädlich? Wie sieht ihre Struktur aus und wie interagieren sie mit anderen Molekülen? Und schließlich: Wie können wir toxische Proteinaggregate entfernen oder gar ihr Entstehen verhindern?

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