Ein Proteinatlas des Gehirns
Das Gehirn besteht aus Milliarden Zellen die miteinander in Verbindung stehen und interagieren. Die verschiedenen Zelltypen übernehmen spezielle Aufgaben. Während Nervenzellen Reize von außen weiterleiten und verarbeiten, versorgen verschiedene Gliazellen die Nerven mit Nährstoffen, regulieren den Blutfluss im Gehirn, helfen bei der Isolation der Nervenfasern oder übernehmen Aufgaben des Immunsystems.
Innerhalb der Zelle sind Proteine die wichtigsten funktionellen Bausteine. Sie arbeiten als kleine molekulare Maschinen oder geben den Zellen ihre Struktur. Die Bauanleitungen der Proteine sind in der DNA und RNA kodiert. Diese Biomoleküle wurden in den letzten Jahren weitreichend im Gehirn untersucht. „Bis jetzt war aber nicht bekannt, welche und wie viele Proteine in den verschiedenen, hoch spezialisierten Zellen hergestellt werden, und auch nicht, wie sich die Proteinmengen in den einzelnen Regionen unterscheiden“, erklärt der Neurowissenschaftler Mikael Simons. „Für die Untersuchung brauchten wir moderne Mess- und Analysemethoden, um diese riesigen Proteinmengen überhaupt erfassen und auswerten zu können.“ Zusammen mit den Spezialisten für Proteinforschung, ein Team geleitet von Matthias Mann in Martinsried, wurde die Technologie der Massenspektrometrie weiterentwickelt. Erst dadurch wurde eine ausreichend schnelle, reproduzierbare und quantifizierbare Messung der Hirnproteine möglich.
So konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es im erwachsenen Gehirn der Maus ungefähr 13.000 verschiedene Proteine gibt. In welchen Mengen diese in den verschiedenen Zelltypen und Hirnregionen vorkommen, und wie sie sich voneinander unterscheiden kann jetzt in dem neu erstellten Proteinatlas unter www.mousebrainproteome.com nachgelesen werden. Die hier aufgeführten Daten aus fünf verschiedenen Zelltypen und zehn Hirnregionen der Maus ergeben die bislang umfangreichste Datensammlung.
Die Erforschung des Proteoms bildet die Grundlage um zukünftig die Entwicklung des Gehirns und dessen Funktionen besser zu verstehen. „Überraschenderweise sind nur 10% aller Proteine zelltypspezifisch“, erklärt Kirti Sharma, Erstautorin des Projektes. „Diese zellspezifischen Proteine befinden sich meist an der Zelloberfläche.“ Die große Mehrheit, also 90% aller Proteine, kommen in allen Zellarten vor.
Wie nach einem Helikopterflug über neue Landschaften, haben die Forscher die bislang umfangreichste Bestandsaufnahme an Hirnproteinen durchgeführt. Mit dem Proteinatlas konnten sie eine wichtige Grundlage für viele Forschungsprojekte schaffen, die helfen könnten, neue Behandlungsmethoden zur Bekämpfung von Hirnerkrankungen zu finden.
Originalpublikation:
K. Sharma, S. Schmitt, C. G. Bergner, S. Tyanova, N. Kannaiyan, N. Manrique-Hoyos, K. Kongi, L. Cantuti, U.K. Hanisch, M.A. Philips, M.J. Rossner, M. Mann & M. Simons: Cell type- and brain region-resolved mouse brain proteome. Nature Neuroscience, November 2015
DOI: 10.1038/nn.4160