Kraftwerk im Blattwerk (Artikel MaxPlanckForschung)

Ein genialer Einfall der Natur: Die Fotosynthese macht höheres Leben erst möglich. Und sie könnte auch noch mehr zur Lösung künftiger Energieprobleme beitragen – wenn sie sich optimieren ließe. Daran arbeiten Ulrich Hartl und Manajit Hayer-Hartl am Max-Planck-Institut für Biochemie.
Text: Harald Rösch

Anstandsdamen sorgen für die richtige Form

Die Martinsrieder Forscher wollen Rubisco deshalb so verändern, dass es nur noch Kohlendioxid binden kann. Zuvor müssen sie aber erst einmal wissen, wie das Protein überhaupt gebildet wird. Denn Rubisco gehört zu den größten Proteinen überhaupt und besteht aus acht großen und acht kleinen Untereinheiten. „Bei so vielen Untereinheiten ist die Gefahr groß, dass sich falsche Teile des Proteins zusammenlagern und verklumpen“, erklärt Manajit Hayer-Hartl. Damit das Protein richtig funktioniert, müssen die Aminosäureketten korrekt gefaltet und die Untereinheiten so positioniert werden, dass sie einen Zylinder bilden. Spezielle Proteine bewerkstelligen diesen komplexen Faltungsprozess, sogenannte Chaperone.

Den Forschern zufolge sind drei Proteine notwendig, um einen funktionierenden Rubisco-Komplex nachzubauen: neben den bereits bekannten Chaperonen GroEL und GroES auch ein neu entdecktes Helferprotein (RbcX). RbcX sorgt dafür, dass sich je zwei große Untereinheiten aneinanderlagern können. Vier dieser Dimere bilden dann den Zylinder, an dessen Kopfund Fußfläche sich je vier kleine Untereinheiten positionieren. „Jetzt verstehen wir, warum beispielsweise Bakterien kein funktionierendes Rubisco herstellen konnten, wenn wir nur die DNA für das Protein in das Bakterien erbgut einbauen – ohne die entsprechenden Helferproteine konnte kein funktionstüchtiges Rubisco entstehen“, sagt Ulrich Hartl.

Nun können die Wissenschaftler daran gehen, Rubisco im Labor zu produzieren. Dazu wollen sie die DNA für Rubisco sowie für die beiden Chaperone und das Helferprotein in Bakterien einschleusen. Die sich rasend schnell vermehrenden Mikroorganismen stellen das Rubisco dann in ausreichender Menge her. Mit solchen Bakterien wollen die Forscher eine effizientere Rubisco- Variante finden. „Wenn wir die Rubisco- DNA in einen Bakterienstamm einbringen, der nur mit funktionierendem Rubisco überlebt, können wir alle möglichen Mutationen im Rubisco- Gen testen und sofort sehen, wie gut die einzelnen Varianten arbeiten“, erklärt Ulrich Hartl.

Mit diesem Verfahren lassen sich auch multiple Mutationen an unterschiedlichen Stellen im Rubisco-Gen erzeugen und untersuchen. Ein wichtiger Vorteil, denn möglicherweise lässt sich das Protein durch den Austausch einer einzelnen Aminosäure nicht weiter optimieren. Dies wäre eine Erklärung für die Frage, warum die Natur Rubisco nicht selbst im Laufe der Evolution an den zunehmenden Sauerstoffgehalt der Luft angepasst hat. Manche Wissenschaftler glauben, dass die Natur bereits eine optimale Struktur für Rubisco gefunden hat und Rubisco sich gar nicht verbessern lässt. Die Martinsrieder Wissenschaftler sind da anderer Ansicht. „Das Rubisco-Molekül der Pflanzen ist definitiv nicht die bestmögliche Variante. Manche Rotalgen besitzen nämlich eine noch effizientere Form. Dies zeigt: Es geht noch besser“, ist Ulrich Hartl überzeugt.

Mutationen zu finden, die Rubisco noch spezifischer für Kohlendioxid machen, stellt allerdings nicht die einzige Herausforderung dar. Denn die neuen Ergebnisse zeigen, dass ohne die passenden molekularen Anstandsdamen gar nichts geht. Anders als Rubisco selbst arbeitet RbcX äußerst selektiv und hilft ausschließlich dem natürlichen Pflanzen-Rubisco bei der Faltung. Aus diesem Grund kann beispielsweise das Rotalgen-Rubisco bislang nicht auf Pflanzen übertragen werden – es wird dann einfach nicht korrekt gefaltet. Möglicherweise benötigt also auch eine optimierte Rubisco-Variante ihre individuellen Chaperone.

Energie mit weniger Wasser

Trotz aller Schwierigkeiten, das Ziel ist lohnend: Einerseits könnten Algen oder Pflanzen mit einer optimierten Rubisco- Variante gegen den Anstieg der Kohlendioxid- Konzentration in der Atmosphäre eingesetzt werden. Darüber hinaus wären solche Turbo-Pflanzen mit ihrem deutlich schnelleren Wachstum von großer Bedeutung für die Landwirtschaft. „Wir könnten schon von einem um 10 bis 15 Prozent effizienteren Rubisco profitieren“, so Ulrich Hartl. Dabei geht es nicht nur darum, das Wachstum von Pflanzen zu beschleunigen, sondern es in manchen Gebieten überhaupt erst zu ermöglichen. Denn eine effizientere Umwandlung von Kohlendioxid in Zucker senkt den Wasserverbrauch der Pflanze. Dadurch könnte künftig Landwirtschaft in Gebieten möglich werden, die für heutige Nutzpflanzen zu trocken sind – und solche Gebiete werden sich angesichts der zunehmenden Wasserverknappung auf der Erde weiter ausbreiten. 

 

GLOSSAR

Chaperone (engl. chaperon: Anstandsdame)
Proteine können nur dann funktionieren, wenn ihre Aminosäureketten korrekt gefaltet sind. Ähnlich wie Anstandsdamen im 19. Jahrhundert junge Damen vor schädlichen Einflüssen bewahren sollten, sorgen spezielle Enzyme in Zellen dafür, dass Proteine nicht auf die schiefe Bahn geraten und die falsche Form annehmen. Manche Chaperone haben die Gestalt eines Fasses, in dem sich nur ein einziges Molekül falten kann. Ein Mangel an funktionstüchtigen Chaperonen kann die Verklumpung von Proteinen zur Folge haben und verschiedene Erkrankungen auslösen, etwa Alzheimer oder Chorea Huntington.

Fotosynthese
Bei der Fotosynthese werden aus Kohlendioxid und Wasser mit Hilfe von Sonnenenergie Kohlenhydrate aufgebaut. Man kann sie in zwei miteinander gekoppelte Abschnitte unterteilen: Die Lichtreak tionen (Foto-Teil) stellen Energie bereit, damit Wasser in Elektronen und Protonen sowie Sauerstoff gespalten werden kann. Die energiereichen Elektronen und Protonen werden im sogenannten Calvin-Zyklus (Synthese-Teil) dazu genutzt, Kohlendioxid in Zucker umzuwandeln. 

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