Das Bemalen von Genen mit Ubiquitin

Forschende um Jürg Müller am MPI für Biochemie haben einen Mechanismus entschlüsselt, der die Ausprägung unserer Gene beeinflusst.

25. März 2024

Forschende am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie haben einen Read-Write-Mechanismus entschlüsselt, durch den die Markierung des Histons H2A mit Ubiquitin entlang von Genen platziert wird. Bei dieser Markierung handelt es sich um eine posttranslationale Modifikation, also eine Veränderung eines Proteins, die nach der Herstellung erfolgt. Insbesondere an Histon-Proteinen, um die unsere DNA herumgewickelt ist, können solche Veränderungen auch die Ausprägung der zugrunde liegenden Gene beeinflussen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift Nature Structural and Molecular Biology veröffentlicht.

Bei der untersuchten Veränderung handelt es sich um die Markierung von Nukleosomen mit Ubiquitin. Diese bestehen aus DNA, die um einen Kern aus Histonen herumgewickelt ist. Anstatt den Abbau von Proteinen zu signalisieren, löst das Hinzufügen eines einzelnen Ubiquitin Moleküls hier eine Reihe von Chromatinumbauprozessen aus, die die Zugänglichkeit unserer genetischen Informationen beeinflussen.

„Unser Labor hat es sich zur Aufgabe gemacht die molekularen Mechanismen hinter der Regulierung der Chromatinstruktur zu entschlüsseln. Die grundlegenden Bausteine des Chromatins sind die Nukleosomen, die aus DNA bestehen, die wie eine Perlenkette um Histone herumgewickelt ist. Diese Struktureinheiten spielen eine entscheidende Rolle bei der Organisation unseres genetischen Materials, und viele Schlüsselschritte innerhalb dieser Organisation erfolgen durch die posttranslationale Modifikation spezifischer Stellen auf Histonen,“ erklärt Maria Ciapponi, Erstautorin der aktuellen Studie.

Was durch die Anlagerung des Ubiquitins mit dem Chromatin passiert hatten die Forschenden bereits in früheren Studien gezeigt. In der aktuellen Studie beschäftigte sie vor allem die Frage, wie genau die Markierung entlang eines Gens abläuft. Dabei fanden sie heraus, dass eine Variante des Polycomb-Repressionskomplex 1, kurz PRC1, die Markierung mittels eines Read-Write-Mechanismus durchführt. Dabei erkennt und bindet die Reader-Seite ein Nukleosom, das bereits eine Ubiquitin-Markierung trägt, während die Writer-Seite gleichzeitig das benachbarte, noch nicht modifizierte Nukleosom mit Ubiquitin markiert.

Im Wesentlichen kann man sich diesen Prozess so vorstellen, dass PRC1 als eine Art Pinsel fungiert der die „Farbe“ Ubiquitin weiter entlang eines Gens verteilt, indem er sich an einem farbigen Nukleosom verankert, während er auf ein benachbartes noch leeres Nukleosom malt.

„Während der Entwicklung eines Organismus müssen Enzyme oft eine bestimmte Markierung an so viele Nukleosomen eines Gens wie möglich anbringen. Dieses ‚Bemalen‘ eines Gens muss sehr schnell durchgeführt werden und das trotz der überfüllten Umgebung im Zellkern, wo Enzyme auf mehrere Millionen Nukleosomen treffen, die alle gleich aufgebaut sind,“ erklärt Jürg Müller, korrespondierender Autor und Leiter der Forschungsgruppe Biologie des Chromatins am MPI für Biochemie.

„Unsere aktuelle Arbeit und unsere frühere Studie über einen anderen Komplex namens PRC2, der eine andere Markierung hinzufügt, ermöglichen es uns auf atomarer Ebene sichtbar zu machen, wie PRC1 und PRC2 ihre Markierungen an Genen anbringen. In beiden Fällen geschieht dies mit Hilfe eines bereits markierten Nukleosom-Nachbarn. Allerdings ist nicht nur die Markierung, sondern auch der Mechanismus, mit dem diese Nachbarn das Gen ‚streichen‘, sehr unterschiedlich. Unsere Ergebnisse könnten in Zukunft die Entwicklung von Medikamenten ermöglichen, die gezielt in das eine oder andere Markierungssystem eingreifen, da beide bei bestimmten Krebsarten häufig mutiert sind," so Müller abschließend.

[tb]

Wörterbuch der Forschungsgruppe Biologie des Chromatins:

DNA: „DNA“ steht für den englischen Begriff desoxyribonucleic acid und ist die Bezeichnung für die Erbinformationen. Auf der DNA befindet sich der „genetische Code“, also quasi der Bauplan eines Lebewesens.

Nukleosom: Als Nukleosom wird der Komplex bezeichnet, den die DNA mit einem Histon eingeht.

Genexpression: Die Genexpression beschreibt das Umwandeln des genetischen Materials in eine „nutzbare Form“, wie beispielsweise RNA oder Proteine.

Chromatin: Das Chromatin ist das Material, aus dem Chromosomen bestehen. Es beinhaltet unsere DNA, die verpackt um Histone in Zellkernen vorliegen.

Histon: Histone sind kugelförmige Proteine.

Posttransaltionale Modifikationen: Als posttranslationale Modifikationen werden Veränderungen an Proteinen bezeichnet, die nach deren Herstellung erfolgen.

Ubiquitin: Ubiquitin ist ein kleines Protein, das häufig als Marker an andere Proteine angebracht wird, um diese beispielsweise um- oder abzubauen. Diesen Prozess nennt man Ubiquitylierung.

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