Markierungen an Histonen kontrollieren Entwicklung - Max-Planck-Forscher zeigen, dass chemische Anhänge an Histonen die Genaktivität regulieren
Auf genetischer Ebene sind die Zellen von Tieren und Pflanzen echte Alleskönner, da jede Zelle eine vollständige Kopie des genetischen Materials des Organismus enthält. Davon wird aber – je nach Zelltyp und Entwicklungsstand – nur ein geringer Teil genutzt und aktiviert. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried bei München haben nun nachgewiesen, wie die Genaktivität in den einzelnen Zellen während der Entwicklung von Tieren reguliert wird. Mit ihren aktuellen Forschungsergebnissen konnten die Forscher zeigen, dass chemische Markierungen an Histonen bestimmen, ob ein Gen aktiv ist oder nicht. Bei Histonen handelt es sich um universell vorhandene Proteinkomplexe, um welche das genetische Material, die DNA, gewickelt ist. Die Studie wurde jetzt im Journal Science veröffentlicht.
Die DNA jedes Gens im Zellkern von Tieren und Pflanzen ist verpackt mit Histonproteinen und gleicht einer Perlenkette. Jede dieser Perlen besteht aus einem Komplex aus Histonproteinen, um welche die DNA gewickelt ist. Diese Struktur wird Nukleosom genannt. Viele Proteine, die die Aktivität von Genen regulieren, verändern die Nukleosomen an diesen Genen, indem sie kleine chemische Markierungen an bestimmte Stellen der Histonproteine anfügen. Allerdings fügen die gleichen Proteine diese chemischen Markierungen auch an eine Vielzahl anderer Proteine an und bislang war unklar, welche dieser Markierungen letztendlich Einfluss auf die Genaktivität während der Entwicklung von Tieren und Pflanzen nehmen.
Kleiner Anhang – große Wirkung
Die Wissenschaftler in der Forschungsgruppe „Chromatin-Biologie“ von Jürg Müller haben sich jetzt eine bestimmte Markierung an Histonen näher angeschaut, die von dem Enzym Polycomb Repressive Complex 2 (PRC2) angefügt wird. Polycomb-Proteine wie PRC2 halten Gene, welche die Entwicklung von Tieren und Pflanzen steuern, inaktiv. PRC2 stellt so sicher, dass diese Gene nur in den richtigen Zellen und zum richtigen Zeitpunkt aktiv sind.
Um die Rolle von PRC2 und seiner Histon-Markierung zu untersuchen, verwendeten die Wissenschaftler am MPI für Biochemie die Fruchtfliege Drosophila als Modellorganismus. Die Forscher veränderten die Fliegen so, dass sie in ihren Zellen Histone herstellten, an die PRC2 die chemische Markierung nicht mehr anfügen konnte. Es zeigte sich, dass in diesen Zellen die gleichen Gene aktiv werden, die auch beim Fehlen von PRC2 aktiv werden.
„Unsere Beobachtungen zeigen, dass der entscheidende Schritt die Markierung an den Histonen ist und nicht an irgendeinem der anderen Proteine in der Zelle, die auch von PRC2 modifiziert werden“, sagt die Doktorandin Ana Pengelly, die die Versuche durchführte. Ihr Kollege Omer Copur fügt hinzu: “Unser Versuchsansatz erlaubt uns, jetzt auch die Funktion von anderen chemischen Markierungen an Histonen zu untersuchen.“ Weiterführend zu ihren Ergebnissen über PRC2 wollen die Forscher in Zukunft herausfinden, wie genau die Histon-Markierungen die Perlenkettenstruktur der DNA verändern und so die Aktivität von Genen kontrollieren.
Originalpublikation
Pengelly, A.R., Copur, O., Jäckle, H., Herzig, A. and Müller, J.: A histone mutant reproduces the phenotype caused by loss of histone modifying factor Polycomb. Science, February 8, 2013.
DOI: 10.1126/science.1231382