Proteomik- auf dem Weg zur Krebsprotein- Bibliothek
Zehn Jahre nach der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes befindet sich die Wissenschaft vor einem neuen Meilenstein. Nun stehen die Gen-Produkte auf dem Programm: die Proteine. Nach den rund 21000 Genen rechnen die Wissenschaftler um Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried mit etwa 12000 Proteinen, die in den Zellen des Menschen produziert werden. Ein gewaltiger Datenberg, zumal die Forscher im Gegensatz zur Analyse des Genoms nicht nur alle Proteine in den Zellen identifizieren wollen. Damit sie die Abläufe in einer Zelle verstehen können, müssen sie auch wissen, in welchen Mengen Proteine vorkommen und wie sie in den Zellen noch verändert werden.
Text: Harald Rösch
Was die Datenanalyse so anspruchsvoll macht und die an dem Projekt beteiligten Bioinformatiker vor besondere Herausforderungen stellt, bietet gleichzeitig die Chance, Erkrankungen sehr viel besser erklären zu können als bisher. Denn Proteine sind unverzichtbare Bausteine des Lebens, ohne die eine Zelle nicht überleben kann. Die riesigen Moleküle aus Aminosäure-Ketten sind deshalb auch an der Entstehung vieler Krankheiten beteiligt, wie z.B. Krebs. Krankhaft veränderte Proteine können dabei genauso zum unkontrollierten Wachstum von Zellen führen wie fehlende oder solche, die zum falschen Zeitpunkt und am falschen Ort gebildet werden.
Matthias Mann und seine Mitarbeiter haben eine Methode entwickelt, mit der sie viele Proteine auf einmal identifizieren können. Der Physiker und Mathematiker übernahm vor sechs Jahren die Leitung der Abteilung Proteomik und Signaltransduktion am Martinsrieder Institut. Die Forscher benutzen ein so genanntes Massenspektrometer, das die zuvor in kleinere Peptid-Fragmente zerstückelten und elektrisch geladenen Riesenmoleküle in einem elektrischen Feld nach ihrer Größe sortiert. Aus der Verteilung und der Stärke der Peptidsignale im Messgerät können die Forscher die Proteine und sogar deren Menge in den Proben rekonstruieren.
Davor müssen die Wissenschaftler aber überhaupt erst wissen, wonach sie suchen. Bislang sind nämlich nur relativ wenige Proteine bekannt, die für die verschiedenen Krebsarten typisch sind. Hier kommt Tami Geiger ins Spiel. Die Wissenschaftlerin aus Israel hat in den vergangenen drei Jahren eine Protein-Datenbank wichtiger Krebszell-Linien erstellt. Diese Bibliothek dient ihr als Referenz, mit der sie Gewebeproben von Patienten untersuchen kann. Damit die Forscherin beispielsweise Proben eines Gesunden und eines Krebspatienten vergleichen kann, versieht sie die Proteine mit besonderen Kohlenstoff- oder Stickstoff-Isotopen, die schwerer sind als die natürlich vorkommenden Atome. Aus der Signalstärke der markierten und unmarkierten Peptide im Massenspektrum kann Tami Geiger ablesen, ob ein Protein in Krebszellen stärker oder schwächer gebildet wird.