Wie Proteine geschützt werden
Forschungsbericht (importiert) 2024 - Max-Planck-Institut für Biochemie
Einführung
Proteine bestehen aus langen Aminosäureketten, die in eine definierte dreidimensionale, funktionell aktive Form gefaltet sind. Erhöhte Temperatur bei Fieber, Infektionen oder mit dem Altern einhergehende Veränderungen können zellulären Stress auslösen. Dies führt dazu, dass sich Proteinketten ent- oder fehlfalten und so ihre Funktion verlieren. Fehlgefaltete Proteine wiederum haben die Tendenz, aneinanderzuhaften und zu verklumpen, was für die Zelle schädlich ist. Proteinverklumpungen, als Aggregate bezeichnet, spielen eine Rolle bei Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson sowie bei anderen degenerativen Krankheiten, die gehäuft im Alter auftreten. Um Proteine in ihre funktionelle Form zu bringen und stabil zu halten, haben sich eine Reihe von Mechanismen entwickelt, die wir in unserem Labor untersuchen. Wir berichten über zwei aktuelle Studien.
Neues aus der Welt der Proteinfaltungshelfer
Seit langem erforscht unser Labor die als molekulare Chaperone bezeichneten Proteinfaltungshelfer. In der ersten Studie haben wir die hochauflösende Kryo-Elektronentomographie (Kryo-ET) genutzt, um eine Familie von Chaperonen, die sogenannten Chaperonin-Komplexe, in Escherichia coli unter verschiedenen zellulären Bedingungen sichtbar zu machen.
Die Beobachtung und Analyse des nur 14 Nanometer großen Chaperonins direkt im intakten Bakterium und nicht als gereinigtes Protein im Reagenzglas stellt einen erheblichen Fortschritt unserer Untersuchungsmethoden dar. Experimente mit gereinigten Chaperonin-Komplexen nämlich hatten teils widersprüchliche Ergebnisse über die Funktionsweise dieser Maschinerie gegeben, wahrscheinlich weil in-vitro-Experimente die Bedingungen in der Zelle nicht vollständig nachbilden können. Diese Widersprüche können wir nun durch zelluläre Daten ausräumen. Zudem konnten wir die durch das Chaperonin vermittelte Faltungsreaktion mit einer bisher unerreichten Detailgenauigkeit beobachten und sowohl die unterschiedlichen Strukturzustände des Chaperonins als auch seine Wechselwirkungen mit dem zu faltenden Zielprotein charakterisieren.
Der Chaperonin-Komplex
Chaperonin-Komplexe bestehen aus zwei verschiedenen Proteinen, dem großen GroEL und dem kleinen GroES. GroEL ist ein zylindrischer Komplex aus zwei aufeinander gestapelten Proteinringen. Das kleinere GroES, ebenfalls ein Ring, fungiert als Deckel für den GroEL-Zylinder. Neu hergestellte Proteine werden im nanometerkleinen Innenraum des GroEL-GroES-Komplexes eingekapselt und können sich falten, während sie von der Umgebung abgeschirmt sind. Dadurch wird das Verklumpen der Proteinketten während der Faltung vermieden und der Faltungsprozess beschleunigt.
Wir konnten zwei Hauptformen des GroEL-GroES-Komplexes in den Zellen beobachten, asymmetrische und symmetrische, bei denen entweder nur einer der beiden Ringe beziehungsweise beide mit GroES verschlossen sind (Abb. 1).

Die Kryo-Elektronenmikroskopie erlaubt mittlerweile detaillierte Aufnahmen des Zellinneren in fast atomarer Auflösung, sodass wir Prozesse wie die Proteinfaltung jetzt in intakten Zellen beobachten können. In dieser Studie haben wir die Kryo-ET mit der Einzelpartikel-Kryo-Elektronenmikroskopie und quantitativer Massenspektrometrie kombiniert. So konnten wir verschiedene räumliche Anordnungen der Protein-Untereinheiten in Chaperonin-Komplexen in verschiedenen Zellzuständen beobachten und ihre jeweilige Häufigkeit bestimmen.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich bei der Chaperonin-unterstützten Proteinfaltung GroEL und GroES unterschiedlich zusammenlagern und in einem Reaktionszyklus zwischen der asymmetrischen und der symmetrischen Form abwechseln. Das zu faltende Protein erreicht nach Einkapselung in der Chaperoninkammer seinen Endzustand. Nach regulierter Öffnung der Kammer wird es entlassen, um seine biologische Funktion auszuüben – ein faszinierender Mechanismus, durch den das Problem der Aggregation gelöst wird.
Biologische Phasentrennung – ein Schutzmechanismus vor Stress
In unserer zweiten Studie haben wir einen Schutzmechanismus von Zellen unter Stress, die biologische Phasentrennung, mit molekularen und zellbiologischen Methoden im Modellorganismus Hefe untersucht.
Sind Proteine durch zellulären Stress geschädigt, wird das kleine Protein Ubiquitin an diese Proteine angeheftet, um zu signalisieren, dass diese abgebaut werden sollen. Andere Proteine müssen bei Stress jedoch vor Abbau geschützt werden, indem sie in sogenannten Stressgranula in einem Prozess der Phasentrennung konzentriert werden. Bei der Phasentrennung haben bestimmte Proteine die Fähigkeit, ähnlich wie eine Öl- und Wasser-Mischung abgegrenzte Bereiche zu bilden, ohne dass eine umgebende Membran benötigt wird.
Wie dies genau funktioniert, ist noch nicht vollständig verstanden. In unserer Studie haben wir gezeigt, dass das kleine Protein Urm1 bei der Bildung reversibler Proteinkondensate unter Stress eine entscheidende Rolle spielt.
Das Urm1-Protein
Urm1 ist strukturell mit Ubiquitin verwandt und kann wie Ubiquitin an Zielproteine angeheftet werden. Im Vergleich zu Ubiquitin ist die Funktion von Urm1 in der Zelle aber weniger gut verstanden. Wir konnten jetzt belegen, dass Stress die kovalente Bindung von Urm1 an bestimmte Zielproteine auslöst und die Zusammenlagerung von diesen Zielproteinen zu Stressgranula fördert. Dieser Vorgang ermöglicht eine geschützte Speicherung dieser Proteine, bis der zelluläre Stress nachlässt.
Wir fanden, dass Urm1 den Prozess der Phasentrennung erleichtert, indem es die Protein-Protein-Wechselwirkungen verstärkt, die diesen biophysikalischen Prozess begünstigen. Der Schlüssel dazu liegt in der Fähigkeit von Urm1, die bei Stress auftretende Säuerung des Zellmilieus zu erkennen. In der Folge beginnen sich Urm1-Moleküle zusammenzulagern, um sich schließlich zu einem komplexen Proteininteraktionsnetzwerk zu verbinden (Abb. 2). Somit hat Urm1 als Ubiquitin-ähnliches Protein eine entscheidende Funktion bei der zellulären Stressreaktion.
