Lauschangriff auf Abwehrzellen - Max-Planck-Wissenschaftler analysieren, wie das Immunsystem kommuniziert
Dringen Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren in den menschlichen Körper ein, müssen unzählige Immunzellen zusammenarbeiten und ihre Abwehrstrategien miteinander abstimmen. Mit Hilfe neuer Technologien der Proteomik ist es Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried bei München erstmals gelungen, die Botenstoffe umfassend aufzuspüren, die Abwehrzellen bei einer solchen Immunantwort in die Umgebung aussenden. „Unsere Methode ermöglicht eine Analyse des Informationsaustauschs zwischen Zellen und stellt ein starkes Werkzeug dar, um die Sprache unseres Immunsystems im Kontext von Erkrankungen zu verstehen“, sagt Felix Meißner, Forscher am MPI für Biochemie. Die Ergebnisse der Studie, die in Zusammenarbeit mit Kollegen vom MPI für Infektionsbiologie in Berlin entstand, wurden jetzt im Fachjournal Science veröffentlicht.
Menschen kommunizieren durch das gesprochene Wort. Wollen Zellen miteinander kommunizieren, senden sie spezielle Proteine aus, die als Botenstoffe dienen und von anderen Zellen erkannt werden können. Diese Botenstoffe machen es möglich, Informationen im Körper zu verbreiten und dadurch komplexe Vorgänge wie eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger zu steuern und zu koordinieren. Bisherige Analysen haben sich nur auf einzelne oder eine kleine Auswahl von Botenstoffen konzentriert. Wissenschaftler der „Proteomik“-Abteilung von Matthias Mann konnten jetzt mit ihren neuen Methoden der Massenspektrometrie den Informationsaustausch zwischen Abwehrzellen umfassend analysieren.
Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler einen bestimmten Zelltyp des Immunsystems, sogenannte Makrophagen. Diese Zellen stellen die erste Verteidigungslinie des Körpers gegen Krankheitserreger dar. Makrophagen werden auch Fresszellen genannt, da sie schädliche Bakterien und Viren in sich aufnehmen und verdauen. Eine weitere Aufgabe der Zellen ist, andere Abwehrzellen zum Ort des Geschehens zu locken. Hierfür senden sie Botenstoffe aus.
Aufmerksam hingehört
Um eine ähnliche Reaktion wie im Körper hervorzurufen, imitierten die Wissenschaftler eine Infektion und setzten die Makrophagen einer bakteriellen Substanz aus. Anschließend isolierten sie die von den Makrophagen ausgesandten Botenstoffe aus der Umgebung und analysierten sie mit Hilfe eines Massenspektrometers. Sie identifizierten über 50 bereits bekannte Botenstoffe sowie weitere hunderte Proteine, von denen noch nicht bekannt war, dass sie an der Kommunikation zwischen Abwehrzellen beteiligt sind. Die MPIB-Forscher konnten zudem alle erfassten Botenstoffe je nach Aufgabe in verschiedene Gruppen einteilen. „Unser Ansatz macht es möglich, die Kommunikation zwischen Zellen besser zu verstehen“, sagt Felix Meissner. „Wir hören uns alle Argumente an, die Immunzellen miteinander austauschen, und nicht nur die, die wir hören wollen.“
Originalpublikation:
Meissner, F., Scheltema, R.A., Mollenkopf, H.J. and Mann, M.: Direct Proteomic Quantification of the Secretome of Activated Immune Cells. Science, April 26, 2013.
DOI: 10.1126/science.1232578