Stoffwechselveränderungen stromaler Zellen begünstigen die Metastasierung von Eierstockkrebs

1. Mai 2019

Eine Studie von Forschern aus Deutschland und den USA über krebsassoziierte Fibroblasten liefert neue Therapieansätze.

  • Eierstockkrebs ist eine hoch aggressive und häufig metastasierende Tumorerkrankung
  • Forscher suchen mit hoch-innovativer Proteomanalytik nach neuen therapeutischen Angriffspunkten.
  • Die Proteine des Tumorgewebes wurden systematisch untersucht unter Berücksichtigung der umliegenden ‘normalen’ Unterstützerzellen.
  • NNMT ist ein Schlüsselprotein von Krebs-assoziierten Fibroblasten (Unterstützerzellen), deren Stoffwechsel so umprogrammiert wird, dass Tumorwachstum gefördert wird.
  • Das Protein bietet neue therapeutische Ansätze und hebt die Bedeutsamkeit des Mikroumfelds während der Metastasierung hervor.

Das hochgradig seröse Ovarialkarzinom (HGSC) macht den Großteil aller Ovarialtumoren aus. Die Überlebensraten sind hier am geringsten, da die Erkrankung oft erst sehr spät diagnostiziert wird, wenn der Krebs bereits von den Eierstöcken in die gesamte Bauchhöhle gestreut hat. Bislang beschränkte sich die Therapie auf operative Eingriffe und herkömmliche Chemotherapeutika. Eine systematische Untersuchung des Tumors und des ihn umgebenden Gewebes – das sogenannte Tumorstroma – förderte ein neues Behandlungsziel zutage, das potentiell die rasche Ausbreitung und schlechte Prognose des hochgradig serösen Karzinoms verhindern könnte.

„Noch bis vor kurzem konzentrierten sich Ärzte in erster Linie auf den Tumor selbst“, erklärt der leitende Wissenschaftler der Studie Ernst Lengyel, Professor und Leiter der Abteilung Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Chicago Medicine. „Alle tun das”. Doch angesichts der ausbleibenden Erfolge bei diesem Konzept und der Tatsache, dass es sich bei den Tumoren um komplexe Organe handelt, die aus verschiedenen tumorunterstützenden Zellen in ihrer Umgebung bestehen, „haben wir uns zur Aufgabe gemacht, ein wenig Licht ins Dunkel dieser Unterstützerzellen zu bringen.“ De facto „ist das Stroma häufig sogar größer als die Tumorfraktion selbst, was deutlich macht, wie wichtig es für die Krankheit und ihren Verlauf ist“, so Lengyel weiter.

In enger Zusammenarbeit mit Fabian Coscia und Matthias Mann, vom Max-Planck-Institut für Biochemie in München und der Universität Kopenhagen profilierten die Forscher mehr als 5.000 Proteine in normalem und Krebsgewebe; hierfür wurden winzige Mengen Material aus Patientenbiobanken ausgeschnitten. „Wir waren erstmals in der Lage, die molekularen Veränderungen in den Krebszellen von denen des angrenzenden Stromas während des gesamten Krankheitsverlaufs zu unterscheiden“, erläutert Matthias Mann, Leiter der Abteilung „Proteomics und Signaltransduktion“ am Max-Planck-Institut für Biochemie. „Als wir dann die ersten Daten erhielten, waren wir von der Tatsache fasziniert, dass das metastatische Stroma, anders als die Krebszellen selbst, durch eine hoch-konservierte Proteinsignatur gekennzeichnet ist“, fügt Fabian Coscia hinzu, Postdoktorand im Labor von Matthias Mann und einer der beiden Erstautoren der Studie. Da sich diese metastatischen Veränderungen bei allen in der Studie untersuchten Patientinnen finden ließen, forschte das Team weiter, um die funktionelle Rolle des Stromas bei der Metastasierung besser zu verstehen. Das Ziel hierbei war es zusätzlich neue therapeutische Angriffspunkte zu finden.

Und tatsächlich entdeckten sie ein Stoffwechselenzym, die sogenannte Nicotinamid-N-methyltransferase (NNMT), welche im Stroma der metastasierten Krebszellen in hohem Maße gebildet wird. Die Forscher fanden heraus, dass NNMT umfassende Veränderungen der Genexpression im Tumorstroma auslöst. Dies hat zur Folge, dass sich ursprünglich normale Fibroblasten des Stromas in Krebs-assoziierte Fibroblasten umwandeln, die das Tumorwachstum zusätzlich unterstützen und beschleunigen. Die NNMT-Expression im Stroma verstärkte die Migration, Proliferation, das Wachstum und die Metastasierung des Ovarialtumors – ein Grund für die schlechten klinischen Ergebnisse der Patientinnen.

Derzeit versuchen die Forscher mit Hilfe des Hochdurchsatz-Screenings neue Möglichkeiten zur Inhibition dieses Enzyms zu finden. „Ein Verfahren sieht vielversprechend aus“, meint Mark Eckert, Assistenzprofessor der Abteilung Geburtshilfe und Gynäkologie an der University of Chicago Medicine und einer der beiden Erstautoren der Studie. „Wir verfügen über eine Art Gerüst des Inhibitors und wissen nun, wie wir weiter vorzugehen haben. Zusätzlich verstehen wir allmählich, wie ein normaler Fibroblast durch dieses Stoffwechselenzym in einen Krebs-assoziierten Fibroblasten umgewandelt wird.“

Die Forscher fanden heraus, dass sich durch Inhibition der NNMT-Aktivität viele der tumorbegünstigenden Wirkungen Krebs-assoziierter Fibroblasten reduzieren oder sogar umkehren lassen. Dies legte aus ihrer Sicht die Erforschung des Stromas als neues Behandlungstarget nahe. „Mit Hilfe unseres Verfahrens lassen sich möglicherweise weitere Proteine entdecken, die für die Metastasierung von Bedeutung sind, so dass frühzeitige Veränderungen während der Krankheitsentwicklung erkannt werden können“, meint Coscia, der hauptverantwortlich für die Proteomik-Analyse war.

„Die Zusammenschau aller Daten“, so Lengyel, „lieferte uns spannende Ergebnisse. Durch die Kombination von Spitzentechnologie wie Proteomik und Metabolomik und funktionellen Analysen, ist es uns gelungen, das Stroma noch besser zu verstehen."

Originalpublikation:
M.A. Eckert*, F. Coscia*, A. Chryplewicz, J.W. Chang, K.M. Hernandez, S. Pan, S.M. Tienda, D.A. Nahotko, G. Li, I. Blaženović, R.R. Lastra, M. Curtis, S.D. Yamada, R. Perets, S.M. McGregor, J. Andrade, O. Fiehn, R.E. Moellering, M. Mann & E. Lengyel: Proteomics reveals NNMT as a master metabolic regulator of cancer associated fibroblasts. Nature, Mai 2019 (*trugen zu gleichen Teilen bei)
DOI: 10.1038/s41586-019-1173-8

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