Proteine: Auf den richtigen Faltplan kommt es an - Proteinforscher Franz-Ulrich Hartl mit Heinrich-Wieland-Preis 2011 ausgezeichnet

27. Oktober 2011

Was haben neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Chorea Huntington und Morbus Parkinson gemeinsam? Sie treten immer häufiger in einer älter werdenden Gesellschaft auf und falsch gefaltete, verklumpende Proteine spielen eine zentrale Rolle. Entschlüsseln Wissenschaftler die molekularen Mechanismen der Proteinfaltung, so können daraus neue Ansätze für Prävention, Diagnostik und Therapie dieser Krankheiten entstehen. Für seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten zur Faltung von Proteinen erhält Professor Franz-Ulrich Hartl, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, den Heinrich-Wieland-Preis 2011. Der Preis der Boehringer Ingelheim Stiftung ist mit einem Preisgeld von 50.000 Euro dotiert.

Die Verleihung findet am 27. Oktober 2011 von 14:00 bis 16:00 Uhr im Baeyer-Hörsaal der LMU München statt (Fakultät für Chemie und Pharmazie, LMU München, Butenandtstr. 13, Haus F, Raum FU 1.017, 81377 München). Journalisten sind zur Preisverleihung herzlich eingeladen. Wir bitten um vorherige Anmeldung unter communications[a]bifonds.de.

Proteine sind die Träger fast aller zellulären Lebensfunktionen. Zellen produzieren ständig Tausende verschiedener Proteine. Sie können ihre biologische Funktion – zum Beispiel als Enzyme im Zellstoffwechsel, als Antikörper in der Immunabwehr oder als Strukturproteine in der Muskulatur – meist nur dann ausführen, wenn sie eine definierte, dreidimensionale Form annehmen. Hartls Pionierarbeiten veränderten die Vorstellung davon, wie Proteine das tun. Entgegen der früher geltenden Ansicht, dass sich alle Proteine spontan und ohne Hilfe falten, formulierte der Forscher ein neues Konzept: die Proteinfaltung als komplexer Prozess, der Helferproteine, so genannte Chaperone, benötigt.

Viele Chaperone gehören zu den Stress- oder Hitzeschock-Proteinen, die nicht nur die korrekte Faltung neu synthetisierter Proteine ermöglichen, sondern auch in Stresssituationen einspringen, beispielsweise um durch hohe Temperaturen fehlgefaltete Proteine zu reparieren. Mittlerweile spielen molekulare Chaperone auch in der Biotechnologie eine wichtige Rolle: In Bakterienzellen, die einen erhöhten Chaperon-Gehalt haben, können Biotechnologieunternehmen Proteine, die z.B. für die Medikamentenherstellung wichtig sind, in großer Menge und in aktiver Form herstellen. Grundlagen dafür lieferte unter anderem eine Entdeckung Hartls: das so genannte Chaperonin, ein bakterielles Protein, das als zylindrisch geformtes Molekül mit Deckel andere Proteine in seinem Inneren abschirmt und bei der Faltung unterstützt. In den vergangenen Jahren hat sich Hartl auf die Analyse neurodegenerativer Erkrankungen konzentriert, die durch die Fehlfaltung und Verklumpung bestimmter Proteine gekennzeichnet sind.

„Professor Hartls Forschungen sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Grundlagen-forschung ihren Weg in biotechnologische oder medizinische Anwendung finden kann – die Ergebnisse haben auch das Potential, langfristig konkrete Fortschritte zum Wohle betroffener Patienten zu bringen“, begründet Professor Dr. Konrad Sandhoff, Vorsitzender des Kuratoriums des Heinrich-Wieland-Preises, die Auszeichnung Hartls.

Franz-Ulrich Hartl hat in Heidelberg Medizin studiert und wechselte anschließend nach München, wo er promoviert wurde. Nach mehreren Postdoc-Positionen folgte er einem Ruf auf eine Professur für Zellbiologie und Genetik an die Cornell University in den USA. 1997 kehrte er nach Deutschland zurück und ist seither Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München.

Der internationale Heinrich-Wieland-Preis (HWP) honoriert mit 50.000 Euro herausragende Forschung zu biologisch aktiven Substanzen und Systemen in der Chemie, Biochemie und Physiologie sowie deren klinischer Bedeutung. Der HWP ist nach dem deutschen Chemiker und Nobelpreisträger Heinrich Otto Wieland (1877 – 1957) benannt, der viele Jahre als Professor der Chemie an der Universität München tätig war. Der Preis wird seit 1964 jährlich von einem eigenständigen Kuratorium vergeben. Seit 2011 dotiert die Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) den Preis. Die BIS ist eine eigenständige und gemeinnützige Stiftung zur Förderung der medizinischen, biologischen, chemischen und pharmazeutischen Wissenschaft (www.boehringer-ingelheim-stiftung.de). Weitergehende Informationen zur Geschichte des Preises und den bisherigen Preisträgern unter www.heinrich-wieland-preis.de.

Kontakte

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Boehringer Ingelheim Stiftungen

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