Ein Schalter für die Müllabfuhr - Max-Planck-Forscher klären auf, wie eine gezielte Formänderung die Stabilität von Proteinen und Tumorsuppressoren beeinflusst

10. August 2009

Das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) ist in höheren Organismen für den Abbau von zellulären Proteinen verantwortlich. Ausschlaggebend für den effizienten Abbau ist die Anzahl der angehängten Ubiquitin-Moleküle. Fehler in diesem wichtigen Abbausystem können beim Menschen zu zahlreichen Krankheiten führen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Biochemie klären nun auf, wie eine gezielte Formänderung die Stabilität von Proteinen und Tumorsuppressoren beeinflusst.

Das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) ist in höheren Organismen für den Abbau von zellulären Proteinen verantwortlich. Überflüssige oder deformierte Proteine werden in diesem Abbauweg zunächst durch eine Markierung mit dem kleinen Protein Ubiquitin gekennzeichnet, bevor sie anschließend im Proteasom, dem „Protein-Schredder” der Zelle, abgebaut werden. Ausschlaggebend für den effizienten Abbau ist die Anzahl der angehängten Ubiquitin-Moleküle: werden viele Ubiquitin-Moleküle - häufig in Form einer Ubiquitin-Ubiquitin-Kette - angeheftet, so werden die so markierten Proteine dem Abbau zugeführt; werden jedoch nur ein oder wenige Ubiquitin-Moleküle angeknüpft, dann bleiben die Proteine der Zelle erhalten, sind aber in ihrer Funktion verändert. Fehler in diesem wichtigen Abbausystem können beim Menschen zu zahlreichen Krankheiten führen, u. A. zur Parkinson-Krankheit oder Krebs. In der neuesten Ausgabe von Nature Cell Biology (Vol 11 Issue 8, August 2009) berichten Dirk Siepe und Stefan Jentsch vom Max-Planck-Institut für Biochemie (Martinsried/München), dass Pin1, eine sogenannte cis/trans Prolyl-Isomerase, den Abbau von Proteinen, wie z.B. Tumorsuppressoren, reguliert.

Pin1 gehört zu einer Klasse von Proteinen, die aktiv die Faltung anderer Proteine beeinflussen können. Das Besondere an Pin1 ist, dass die Zielproteine wie bei einem Schalter in zwei Stellungen überführt werden können: „cis“ und „trans“ genannt. Dieser schalter-ähnliche Mechanismus wird in der Zell gezielt benutzt, um komplexe Prozesse zu steuern. Da Pin1 an Krankheitsbildern wie Alzheimer und Krebs beteiligt ist und auch direkt an das bekannte tumor-relevante Protein „p53“ bindet, sind Forschungen zu Pin1 hochaktuell und versprechen neue therapeutische Ansätze. Der genaue Mechanismus, wie Pin1 in diesen Prozessen wirkt, war bisher aber weitgehend unklar.

Dem Zellbiologen Stefan Jentsch und seinem Mitarbeiter Dirk Siepe ist es nun gelungen, die Arbeitsweise des „Pin1 Schalters“ aufzuklären: Pin1 entscheidet wie viele Ubiquitin-Moleküle an Pin1-Zielproteine angeheftet werden indem es die Konformität des Zielproteins in „cis“ oder „trans“ abändert. Ist Pin1 in der Zelle aktiv, so werden Pin1-Zielproteine nur mit einem oder wenigen Ubiquitinen markiert; ist Pin1 jedoch inaktiv, so werden viele Ubiquitin-Proteine in der Form einer Ubiquitin-Ubiquitin-Kette angeknüft. Damit entscheidet Pin1 schalterartig über die Lebensdauer einzelner Proteine.

Ausgehend von ihren Studien an dem Modellorganismus Hefe, bei der Pin1 lebensnotwendig ist, zeigte die Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut auch, dass Pin1 von höchster Relevanz für die Tumorforschung ist. So fanden sie, dass bei hoher Pin1-Aktivität das Protein „p53“, das die Entstehung von Tumoren bei Menschen unterdrückt („Tumorsuppressor“), stabil ist und so schützend wirkt. Bei niedriger Pin1-Aktivität wird „p53“ jedoch mit vielen Ubiquitin-Molekülen verknüpft und damit vom Proteasom abgebaut. Somit erscheint es denkbar, dass eine gezielte pharmakologische Aktivierung von Pin1 die Entstehung von Tumoren unterdrücken könnte.

Originalveröffentlichung:

Dirk Siepe, Stefan Jentsch: Prolyl isomerase Pin1 acts as a switch to control the degree of substrate ubiquitylation, Nature Cell Biology (2009), 11: 967-972, doi: 10.1038/ncb1908.

Kontakt:

Anja Konschak

Öffentlichkeitsarbeit

Max-Planck-Institut für Biochemie

Am Klopferspitz 18

82152 Martinsried

Tel.: +49 (0)89 8578-2824

E-mail: konschak[a]biochem.mpg.de

www.biochem.mpg.de

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