RNA-Stau im molekularen 3D Drucker – der Ski-Komplex hilft

22. Dezember 2016
Auch wenn “Cryo-EM” und “Ski-Komplex” nach Eis und Schnee klingen, handelt es sich um Begriffe aus der Strukturbiologie. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Biochemie und des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität konnten jetzt zeigen, dass die Proteinfabrik der Zellen und der sogenannte Ski-Proteinkomplex in direktem Kontakt stehen.  Der Ski-Komplex ist Teil eines molekularen Schredders, der mRNAs, die Bauanleitungen für Proteine, in ihre Einzelteile zerlegt. Die Forscher nutzten für ihre Analyse die Cryo-Elektronenmikroskopie. Hierbei werden Proteinkomplexe blitzschnell eingefroren, um selbst kleinste Details ihrer Struktur in natürlichem Zustand untersuchen zu können.

Ribosomen sind die molekularen Proteinfabriken der Zellen. Gemäß einer Bauanleitung, der “Boten-RNA” oder mRNA, werden einzelne Proteinbausteine zu Ketten aneinandergereiht. Diese Ketten werden später zu kleinen molekularen Maschinen, den Proteinen, gefaltet. Die Proteine übernehmen dann vielfältige Aufgaben in den Zellen. Roland Beckmann und sein Team am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München sind spezialisiert auf die Erforschung der Struktur der Ribosomen mit Hilfe der sogenannten Cryo-Elektronenmikroskopie.

Die Arbeitsgruppe „Zelluläre Strukturbiologie“ von Elena Conti am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried untersucht seit vielen Jahren die Struktur und Funktionsweise des Exosoms, einem Schredder für mRNA Moleküle. Wird die Proteinbauanleitung nicht mehr gebraucht oder liegt ein Fehler darin vor, wird die mRNA vom Exosom in ihre Grundbausteine zerlegt und recycelt.

In einem Kooperationsprojekt der Arbeitsgruppen konnten die Wissenschaftler beider Institute jetzt zeigen, dass der Ski-Proteinkomplex, der dem Exosom beim mRNA Abbau als Motor dient, mit den Ribosomen in engem Kontakt steht.

„Wir erforschen seit einigen Jahren, wie der Ski-Proteinkomplex dem Exosom bei seiner Aufgabe hilft“, erklärt Eva Kowalinski aus der Arbeitsgruppe Conti. „Wenn man sich das Exosom als Papierschredder vorstellt, übernimmt der Ski-Komplex die Aufgabe einer Hand, die das Blatt Papier in die Maschine einfüttert.“ So wie eine Hand auch zusammengefaltetes Papier entfalten kann, kann der Ski-Komplex die mRNA entfalten und ermöglicht so ihre Zerkleinerung im Exosom.

Der jetzt gezeigte direkte Kontakt der Ribosomen mit dem Ski-Komplex lässt weitere Funktionen vermuten: „Wir gehen davon aus, dass es sich in diesem Rahmen um eine Art zelluläre Qualitätskontrolle handelt“, so Elena Conti. Sobald eine fehlerhafte mRNA das Ribosom verstopft und kein funktionelles Protein mehr hergestellt werden kann, greift der Ski-Komplex ein und entfernt die mRNA aktiv aus dem Ribosom. „Das wäre vergleichbar mit der Beseitigung eines Papierstaus aus einem Drucker“, erklärt Conti. „In Zukunft möchten wir wissen, wie die molekulare Hand, der Ski-Proteinkomplex, die mRNA vom Ribosom weiter in das Exosom befördert. Also auf welchem Weg genau die defekte Bauanleitung in den molekularen Schredder gelangt. Dafür werden weitere Untersuchungen am Cryo-Elektronenmikroskop folgen.“

Originalpublikation:
C. Schmidt, E. Kowalinski, V. Shanmuganathan, Q. Defenouillère, K. Braunger, A. Heuer, M. Pech, A. Namane, O. Bernighausen, M. Fromont-Racine, A. Jacquier, E. Conti, T. Becker, R. Beckmann: The cryo-EM structure of a ribosome-Ski2-Ski3-Ski8 helicase. Science, Dezember 2016
DOI: 10.1126/science.aaf7520

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