Der Schneidermeister der Zellen

4. Oktober 2016
Die sogenannte Hollidaystruktur hat nichts mit Urlaub oder Ferien zu tun, sondern bezeichnet ein komplexes Überkreuzen von ähnlichen DNA-Strängen. Die von dem Forscher Robin Holliday in den 60iger Jahren entdeckte Struktur der Erbinformation entsteht bei DNA-Reparaturprozessen in unseren Zellen, oder bei der Bildung von Ei- und Samenzellen, wenn väterliche und mütterliche Erbinformation neu kombiniert werden. Wie das Journal eLife jetzt berichtet, haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried den Aufbau des Proteins GEN1 entschlüsselt, das diese Überkreuzung wieder lösen kann und wie ein molekularer Schneidermeister, die DNA sehr präzise an der richtigen Stelle schneidet, damit sie wieder korrekt zusammengefügt werden kann.

Unsere Erbinformation ist in jeder Zelle des Körpers in einem DNA-Doppelstrang gespeichert. Chemikalien und ultraviolettes Licht können diese schädigen, was zu Brüchen in den DNA-Doppelsträngen führen kann. Im Verlauf der Evolution haben sich viele  Reparaturmechanismen entwickelt um DNA-Schädigungen zu reparieren, die das Überleben der verschiedenen Organismen sichern.

Um die einzelnen Reparaturschritte in den Zellen zu verstehen, hat Christian Biertümpfel, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Mechanismen der DNA-Reparatur, zusammen mit seinem Team den molekularen Aufbau vom Protein GEN1 untersucht. GEN1 spielt eine wichtige Rolle bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen. Bei der Reparatur kommt es zum komplexen Überkreuzen von sehr ähnlichen DNA-Abschnitten. So kann die fehlerhafte Stelle ausgebessert werden. Die dabei entstehende Hollidaystuktur wird zum Ende des Reparaturprozesses durch GEN1 wieder aufgelöst.

„Mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse haben wir die Positionen der einzelnen Aminosäuren, den Grundbausteinen der Proteine, ausgewertet und Rückschlüsse auf den exakten Aufbau und die Funktionsweise von GEN1 gezogen. Wir konnten jetzt zeigen, dass GEN1 wie ein molekularer Schneidermeister arbeitet und präzise symmetrische Schnitte in die Hollidaystruktur der DNA einfügt“, erklärt Biertümpfel. „Besonders ist, dass GEN1 eine sogenannte Chromodomäne hat. Diese funktioniert wie das Lineal des Schneiders. Die Chromodomäne bringt die zu schneidende DNA in die optimale Position und erhöht die Effizienz von GEN1“.

DNA-Reparaturmechanismen und die zellulären Werkzeuge sind evolutionär gesehen sehr alt, und kommen in den verschiedensten Organismen wie Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien vor. „Erst wenn wir den genauen Aufbau weiterer beteiligter Helfer kennen, können wir verstehen wie Zellen DNA-Schäden reparieren. So können Änderungen in den Werkzeugen entdeckt werden, die diese Reparaturprozesse unterbinden und zu Krankheiten wie Krebs führen“, fasst Biertümpfel zusammen.

Originalpublikation: S. H. Lee, L. N. Princz, M. F. Klugel, B. Habermann, B. Pfander & C. Biertumpfel: Human Holliday junction resolvase GEN1 uses a chromodomain for efficient DNA recognition and cleavage, eLife, September 2016
doi: 10.7554/eLife.12256

Zur Redakteursansicht