Blockade in der zellulären Müllabfuhr - Max-Planck-Wissenschaftler zeigen wie Proteinablagerungen das molekulare Gleichgewicht der Zelle stören

21. Juni 2013

Proteine können ihre komplexen Aufgaben in der Zelle nur erfüllen, wenn sie eine jeweils spezifische dreidimensionale Struktur einnehmen. Weil fehlgefaltete Proteine häufig toxisch sind, werden sie sofort umgefaltet oder abgebaut. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie in Martinsried bei München haben nun in Hefe gezeigt, dass bestimmte Proteinablagerungen einen wichtigen Abbauweg für defekte Proteine blockieren - und so das fragile molekulare Gleichgewicht in der Zelle stören. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.

Proteinablagerungen in Zellen können schwere Leiden wie die Huntington-Krankheit verursachen. Die massiven Bewegungsstörungen, die bei dieser Krankheit auftreten, werden vermutlich durch Ablagerungen von bestimmten Proteinen, den polyQ-Proteinen hervorgerufen. Wissenschaftler der Forschungsabteilung „Zelluläre Biochemie" um F.-Ulrich Hartl konnten jetzt zeigen, wie diese Proteinablagerungen, auch Plaques genannt, das zelluläre Gleichgewicht empfindlich stören.

Zellen in der Balance
Die Gesamtheit aller zellulären Proteine bildet das Proteom, dessen Zusammensetzung über ein fein austariertes Gleichgewicht von Proteinherstellung  und –abbau bestimmt wird. Dieser Prozess wird auf mehreren Ebenen reguliert. Zentrale Helfer sind hier die molekularen „Chaperone“, die Proteine bei der richtigen Faltung unterstützen oder aber bei irreparablen Fehlfaltungen dem Abbau zuführen. Dieses Vorgehen soll unter anderem die Bildung von Proteinplaques verhindern. Dem Team um Hartl gelang jetzt der Nachweis, dass polyQ-Ablagerungen in Hefe vor allem auf das Chaperon Sis1p wirken.

Dieses Molekül fungiert als zelluläres Shuttle: Es transportiert fehlgefaltete Proteine aus dem Zytosol in den Zellkern, wo sie abgebaut werden. Die schädlichen PolyQ-Plaques unterbinden diesen Prozess, indem sie Sis1p abfangen. „Dadurch häufen sich fehlgefaltete Proteine in der Zelle an, was zur Toxizität der PolyQ-Aggregate beitragen könnte“, sagt Sae-Hun Park, Wissenschaftler am MPI für Biochemie und Erstautor der Studie.

Möglicherweise laufen ähnliche Prozesse bei polyQ-Erkrankungen im Menschen ab. Denn auch in Säugerzellen werden fehlgefaltete Proteine aus dem Zytosol in den Kern transportiert. Hier spielt das Chaperon DnajB1 eine ähnliche Rolle wie Sis1p in Hefe. Das Team um Hartl geht nun sogar - entgegen herrschender Meinung - davon aus, dass dieser Abbauweg die wichtigste Art der Entsorgung fehlgefalteter Proteine aus dem Zellinneren ist. Weiterführende Studien sollen nun zeigen, ob und inwieweit diese fundamentalen Prozesse bei krankmachenden Proteinplaques eine Rolle spielen.


Originalpublikation: Sae-Hun Park, Yury Kukushkin, Rajat Gupta, Taotao Chen, AyanoKonagai, Mark S. Hipp, Manajit Hayer-Hartl, F.Ulrich Hartl: PolyQ Proteins Interfere with Nuclear Degradation of Cytosolic Proteins by Sequestering the Sis1p Chaperone, Cell, June 20, 2013.
DOI: 10.1016/j.cell.2013.06.003

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